Magazin #21

Im Labyrinth der Farbräume

Kaum ist die erste professionelle Digitalkamera angeschafft, sehen sich Fotografen mit völlig neuen Fragen konfrontiert – und mit neuen Farben. Adobe-RGB oder sRGB: Früher gab es keine Wahl des Farbraums, heute muss man sich für eines der vorgegebenen Profile entscheiden. Doch die Kameraeinstellung hat weit reichende Folgen. Zwei Experten für Color­management und ein Agenturchef kommentieren die Vor- und Nachteile derzeitiger Standards.

Texte – Karsten Franke, Wolfgang Pfaffe & Torsten Steinbach

Adobe-RGB – Auf Nummer Sicher gehen

Auf der Suche nach dem passenden Farbraum

Eine Patentlösung gibt es nicht – der Verwendungszweck legt nahe, welchen Standard ein Fotograf wählt.

Eine Diskussion über die Verwendung von Farbräumen in der digitalen Fotografie führt häufig deswegen in die Irre, weil die Gesprächspartner sich gegenseitig von der Verwendung des »richtigen« oder »besseren« Farbraums zu überzeugen suchen, wobei es zurzeit hauptsächlich um sRGB und Adobe-RGB geht, neuerdings auch um ECI-RGB.

Es gibt aber keinen »richtigen« oder »falschen« Farbraum – sondern nur den jeweils passenden.

Der sRGB-Farbraum entstand als fast identisches digitales Pendant zum (analogen) europäischen PAL/SECAM-Standard und hatte zum Ziel, einen Farbbereich zu beschreiben, der mit hoher Sicherheit von einem durchschnittlichen Computermonitor darstellbar war.

Dieser Standard wurde als kleinster gemeinsamer Nenner also nur für die Monitoranzeige konzipiert und wird von Windows-Systemen daher als am Monitor abbildbar angenommen und verwendet. Es gibt weitere Geräte, die davon ausgehen, dass RGB-Werte so gemeint sind, wie sie im sRGB-Farbraum sichtbar werden. Der digitale Fotoprint z.B. wurde lange über Maschinen gemacht, die davon ausgingen, dass RGB-Werte in einer Datei so wie in der sRGB-Spezifikation definiert gemeint waren. Diese Geräte – es gibt sie noch in großer Zahl! – beherrschen kein Farbmanagement, können also anders angelegte Bilder nicht richtig interpretieren.

Das ist wichtig: Bilder in einer Umgebung, die nicht farbgemanagt ist, müssen auf die verwendeten Maschinen abgestimmt sein. Eine Umrechnung ist nicht möglich, die Farben können nur richtig dargestellt werden, wenn der gleiche Standard zugrunde liegt. Also: Für die Darstellung von Bildern im Internet, auf Messemonitoren, über Beamer, im TV, auf älteren Digitalprintern gibt es nur die sRGB-Übereinkunft, von deren Verwendung alle beteiligten Geräte ausgehen. Für solche Fälle muss man die Kamera am besten gleich auf diesen Farbraum eingestellt haben. Denn: Bilder, die in Adobe-RGB fotografiert sind, aber von einem Gerät dargestellt werden, das kein Farbmanagement beherrscht (und von sRGB ausgeht), sehen blass und grau aus und zeigen Falschfarben.

Für die Umwandlung von zu druckenden Bildern in CMYK ist sRGB aber nicht gut geeignet. Bevor es funktionierendes Farbmanagement und digitale Fotografie gab, wurden die (Trommel-) Scanner daher damit auch gar nicht erst behelligt; sie wurden direkt auf den anstehenden Druckprozess kalibriert, um – unter Einbeziehung von Testdrucken – in der gegebenen Firma eine optimale CMYK-Datei zu erzeugen.

Da heutzutage aber Bilddateien aus allen möglichen Quellen kommen und eine direkte Kalibrierung etwa der digitalen Kamera in Hinsicht auf eine bestimmte Druckmaschine daher Unsinn ist (die Kollegen, die für eine bestimmte Zeitschrift fotografieren, könnten dann nur Kameras verwenden, die für diese Redaktion kalibriert wurden), musste ein besserer und allgemeiner Standard her.

Im (Offset- und Tief-)Druckprozess sind Farben möglich, die in sRGB nicht existieren. Man würde diese Potenziale nicht ausnutzen, die maximal auf dem Papier möglichen Farbsättigungen könnten nicht erreicht werden – ein funktionierender RGB-Standard muss alle Farben beinhalten, die im Druck realisierbar sind. Das ist bei Adobe-RGB der Fall.

Daher sollte die Kamera auf Adobe-RGB eingestellt sein, wenn die Fotos (und wenn auch nur vielleicht) gedruckt werden sollen. Über das Farbmanagement ist eine Konvertierung in sRGB später möglich.

Die Helligkeitsverteilung in Adobe-RGB ist aber wie bei sRGB auf Monitore abgestimmt (Gamma 2,2), nicht auf den Druckprozess. Optimal ist es also, Bilder im – u.a. deswegen erdachten – ECI-RGB-Farbraum zu verwenden (Gamma 1,8), da hier die Helligkeit wie beim Druck dargestellt wird. Sie können dann mit den geringsten Verlusten in CMYK konvertiert werden.

In den Kameras gibt es diesen erst seit 2003 definierten Farbraum (noch) nicht. Man muss die Bilder also in Photoshop ggf. konvertieren, wenn ein Kunde später auf dieser Basis zu arbeiten wünscht. Denn es gilt die Regel: (farb-) korrigiere deine Bilder im Zielfarbraum!

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Karsten Franke
ist gelernter Offsetdrucker, DTP-Spezialist und vierfacher Adobe Certified Expert. Lebt in Hamburg.

 

sRGB – der geringen Nachteile wegen

Was weiß denn ein Standard von der Farbe der Liebe?

Für Sie ist es Rot – für Ihren Computer ist es lediglich 255/0/0. Diese drei Ziffern stehen für die Farbkanäle Rot, Grün und Blau.

Um diese Ziffernkombination für den Monitor und den Drucker in eine Farbe zu übersetzen, braucht Ihr Computer eine Farbübersetzungstabelle – das Profil. Bis zur Photoshop-Version 4 im letzten Jahrtausend, also vor der Einführung von Colormanagement, machte jeder Monitor und jeder Drucker aus 255/0/0 – entsprechend der Größe seines technisch bedingten Farbraums – sein eigenes buntestes Rot.

Schlimmer noch: Ein und derselbe Monitor zeigte das Bild etwas heller, wenn er an einem Mac hing, und etwas dunkler, wenn er von einem PC angesteuert wurde. Das war höchst unbefriedigend und lag daran, dass PC und Mac unterschiedliche Farbübersetzungstabellen benutzten.

Colormanagement löst das Problem. Aus den Informationen über die Geräteeigenschaften errechnet Colormanagement für jedes Gerät eine eigene Tabelle. Mit ihrer Hilfe – dem Profil – werden die Zahlenwerte eines jeden Pixels in die richtige Farbe übersetzt. Es gibt also für jedes in den Colormanagement-Workflow ein­gebundene Gerät ein Profil.

Um die Bilddaten nicht mit dem Farbraumprofil von Herrn Meiers Monitor oder im Druckerfarbraumprofil von Frau Schulze archivieren zu müssen, hat Colormanagement den »Arbeitsfarbraum« eingeführt. Bilddaten mit einem Arbeitsfarbraumprofil gibt ein richtig konfigurierter Rechner korrigiert an Monitor und Drucker weiter, ohne dass man sich noch weiter darum kümmern muss. Ideal wäre es, wenn sich die Industrie auf ein einziges, allgemein verbindliches Arbeitsfarbraumprofil geeinigt hätte. Sie kennen wahrscheinlich schon mindestens zwei: sRGB und Adobe-RGB.

Fast alle Digitalkameras und Scanner sind so voreingestellt, dass sie Bilddaten erzeugen, in die das sRGB-Profil eingebettet ist. Der sRGB-Farbraum konnte sich so massiv durchsetzen, weil sRGB die Farbübersetzungstabelle ist, mit der alle PCs ihre RGB-Zahlenwerte in Farben umgerechnet haben, noch bevor es Colormanagement und auslesbare Farbprofile gab. sRGB ist auch der Standardfarbraum für das Internet.

Der Adobe-RGB-Arbeitsfarbraum ist größer als der sRGB-Arbeitsfarbraum. Der Pixelwert 255/0/0 wird durch das Adobe-RGB-Arbeitsfarbraumprofil in ein Rot mit höherer Sättigung übersetzt als durch das sRGB-Arbeitsfarbraumprofil. Ist er deswegen besser?

Zunächst sind drei Argumente gegen Adobe-RGB als Arbeitsfarbraum anzuführen:

1. Im CMYK-Druckfarbraum, in dem unsere Fotos ihr Geld verdienen, ist ein röteres Rot als das sRGB-Rot nicht reproduzierbar.

2. Unser wichtigstes Anzeigegerät – der Monitor – ist farbenblind für die hohe Farbsättigung des Adobe-RGB-Rot, es sei denn, Sie haben etwa 5.000 Euro für ein Modell der absoluten Oberliga ausgegeben. In meinem Buch »Digitale Bildbearbeitung für Fotografen« finden Sie eine Testdatei, mit der Sie ausprobieren können, für welche Farben von großen »medienneutralen« Arbeitsfarbräumen Ihr Monitor farbenblind ist.

3. Ausgesprochen viele unserer Kunden arbeiten zurzeit noch mit älteren Photoshop-Versionen, ohne sich je um die Photoshop-Farbeinstellungen gekümmert zu haben (siehe unten). In diesen Farbeinstellungen ist der sRGB-Farbraum voreingestellt – Bilddaten aus anderen Arbeitsfarbräumen als sRGB können also durch die voreingestellte sRGB-Farbübersetzungstabelle falsch interpretiert werden.

Bei Adobe-RGB-Bildern führt das dazu, dass sie zu unbunt gezeigt werden – das ist das Gegenteil von dem, was Sie mit dem größeren Adobe-RGB-Farbraum bezwecken wollten. Fotos aus dem »medienneutralen« ECI-RGB-Arbeitsfarbraum werden zu unbunt und zu dunkel.

Und die Nachteile des sRGB-Arbeitsfarbraums? Bezogen auf die Verwendung der Fotos im CMYK-Druckfarbraum sind sie sehr gering. Nur im Cyan-Bereich ist der sRGB-Farbraum einen Hauch kleiner als der CMYK-Druckfarbraum: Das linke Gummibärchen (oben) zeigt diesen Mangel – aber nur, wenn Sie ganz genau hingucken. Das rechte Gummibärchen habe ich mit Photoshop in die äußerste Cyan-Ecke des Offsetdruck-Farbraums geschubst.

EIN FAZIT

Wenn Sie für Ihre Lautsprecherboxen nicht in Kupferkabel mit vergoldeten Steckern investiert haben, werden Sie wahrscheinlich auch mit einem sRGB-Workflow zufrieden sein. Das Risiko, dass Bilder aus anderen Farbräumen bei den Weiterverarbeitern Ihrer Dateien falsch interpretiert werden, ist bedeutender als der Vorteil, bei Candystore- und Karibik-Motiven einen Hauch mehr Cyan drucken zu können.

Wolfgang Pfaffe
Digitale Bildbearbeitung für Fotografen
Heidelberg: Springer 2005.
300 Seiten mit mehr als 400 Abbildungen.
59,95 Euro

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Wolfgang Pfaffe
ist Fotograf und betreibt in Hamburg das »Trainingszentrum für Digitale Bildbearbeitung«

 

Bericht aus der Praxis

Ohne die Macht des Marktes bleibt alles beim Alten

Der Anspruch ist hoch – die Realität ein Chaos. Im Umgang mit Digitalfotos gibt der kleinste gemeinsame Nenner den Ausschlag.

Oft führen Farbraumdiskussionen an der Praxis vorbei, da die digitale Realität anders aussieht, als es die Theorie glauben machen möchte. Es gibt zwar Standards, Vorgaben, Vorschläge – aber keine Einheitlichkeit, ja nicht mal gut gemeinte Empfehlungen ohne Wenn und Aber.

Die tagtägliche Anlieferung digitaler Bilddaten in Agenturen oder Redaktionen beinhaltet so gut wie alles an Möglichkeiten, was im Bereich des Farbmanagements bekannt ist: angefangen von immer noch »profillosen« Dateien über sRGB, Adobe-RGB bis hin zu ECI-RGB und dem einen oder anderen Scanner- und Monitorprofil, das sich wohl als Arbeitsfarbraum eingeschlichen hat. Selbst in den Druckfarbraum (CMYK) separierte Dateien tauchen ab und an auf, ebenfalls mit und ohne Farbprofilinformationen.

Um zumindest die vorhandenen Standards zu nutzen, empfiehlt sich der ECI-RGB-Farbraum gemäß ISO 12647-2. Dadurch handelt man sich aber auch einige Probleme ein:

1. Die SLR-Digitalkameras speichern die Daten grundsätzlich in sRGB (mit angehängtem Profil) oder in Adobe-RGB (wobei hier oft noch das Profil nachträglich angehängt werden muss). Eine Konvertierung in den ECI-RGB-Farbraum macht danach wenig Sinn, da der Farbraum schon beschnitten ist.

2. Der ECI-Farbraum ist nicht in seiner vollen Größe am Monitor darstellbar. Korrekturen sind deshalb schwer oder gar nicht zu beurteilen.

3. Werden die Daten anschließend in einen Druckfarbraum konvertiert, wird der Farbraum wesentlich kleiner, wodurch die Farben in den Zielfarbraum konvertiert werden müssen: Je nach Methode (Rendering Intent) gehen entweder Farbbereiche verloren, oder man verliert an Farbkontrolle.

4. Je nach Druckfarbraum ändert sich auch die Farbanmutung, sodass die Bildwirkung des gedruckten Ergebnisses nur schwer vorhersehbar ist.

5. Verlässt man mit ECI-RGB-Daten den farbgemanagten Bereich, werden die Daten mit sehr großen Abweichungen dargestellt.

Die Konsequenz ist, dass der ECI-RGB-Farbraum ein guter »interner« Farbraum ist, sich also zum Speichern und Archivieren der Bilder anbietet. Eine gute Wiedergabe auch auf RGB-basierenden Ausgabemethoden (z.B Durst Lambda) ist dadurch gewährleistet, ebenfalls gibt es ein Polster für zukünftige Weiterentwicklungen im Druckbereich.

Als Übergabestandard ist er jedoch problematisch. Missachtet der Empfänger das Profil (was leider immer noch häufiger vorkommt, als man nach mehr als zehn Jahren ICC-Technik annehmen sollte), sind Farbabweichungen vorprogrammiert. Verlässt man nämlich das Farbmanagement, wirken die Bilddaten eher flau und farblich ungesättigt, was vor allem im Bereich der Internet-Browsertechnik immer noch Stand der Dinge ist; ebenfalls bieten gängige Datenbanken immer noch kein Farbmanagement an (z.B. auch die picturemaxx-Datenbank, an die immerhin über hundert Bildanbieter und tausende Bildabnehmer* angeschlossen sind), was einen um die Früchte vorangegangener Arbeit bringen kann.

Somit einigt man sich in der Praxis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner – und das ist sRGB, einer der ältesten und kleinsten Farbräume. Selbst viele Druckfarbräume sind in Bereichen größer.

Und es ist kein Land in Sicht. Alles, was in dieser Hinsicht neu entwickelt worden ist, krankt meist an einem – der Kraft, sich auf dem Markt durchzusetzen. Der lobenswerten Entwicklung des ECI-RGBs folgt der neue L-Star-Farbraum, der die Möglichkeiten vor allem neuester Displaytechniken ausschöpfen kann – ein linearer Workflow von der Kamera bis in die Druckvorstufe wäre immerhin damit schon möglich. Bloß ist die Wahrscheinlichkeit denkbar gering, dass sich der eine oder andere neue Farbraum demnächst in einer KB-Digitalen wiederfinden wird. Dazu kommt, dass der L-Star-Farbraum genauso wenig außerhalb des Farbmanagements überzeugt, was sich auch dadurch erklärt, dass er farbraummäßig auf dem ECI-RGB aufbaut und »nur« die Gammakurve neu darstellt.

Andere Lösungen können hier besser aufspielen: Extra für die Übergabe von Bilddaten gerechnete Farbräume wie DVSplus, Photogamut und der Gerüchten zufolge in der Entwicklung stehende ECI-Romm verkleinern den Farbraum zur Übergabe hin, um ihn näher an die Drucker zu bringen. Somit kann der Fotograf das Druckergebnis besser vorhersehen und die Bilddaten nach seinen Vorstellungen korrigieren; der Einfluss der Vorstufenbetriebe und Druckereien wäre dadurch verringert, sofern sich diese an die ISO-Normen bzw. PSO halten. Dennoch fehlt auch hier die Marktmacht, um so etwas als Standard zu etablieren. Technologisch ein Armutszeugnis.

Somit bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass ein Global Player einen neuen Standard entwickelt (z.B. Adobe, Apple oder Microsoft) oder dass zumindest Anwendungen jenseits des Farbmanagements mehr und mehr verschwinden. Ansonsten bliebe alles beim Alten – man würde zwar gerne die neuesten Farbräume nutzen, muss aber zumindest für die Monitoransicht bei den vielen unkalibrierten (Redaktions-)Systemen und für Internetdarstellungen sRGB vorhalten.

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Torsten Steinbach
Diplom-Fotoingenieur, seit zehn Jahren bei laif in Köln, leitet die Abteilungen Digital, IT und Archiv.