Magazin #28

Die Abmahner von Sanssouci

Die Stiftung »Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg« kämpft gegen »wahlloses Fotografieren« öffentlichen Eigentums, will nach Gutsherrenart abkassieren und stempelt Bildagenturen als »Störer« ab

Text – Karl Johaentges
Fotos – Ostkreuzschule

Der Fotoagentur Ostkreuz und dem Bilderportal Fotofinder droht ein Ordnungsgeld von bis zu einer Viertel Million Euro. Das soll für den Fall gelten, wenn sie weiterhin vom Boden des Parks aus fotografierte Motive der Potsdamer Schlösser und Gartenanlagen anbieten. Dazu verurteilte sie das Landgericht Potsdam am 21.11.2008 in erster Instanz – im Namen des Volkes. Das Ablichten durch Fotografen sei illegal und stelle eine Eigentumsverletzung dar. Die Fotoagenturen trügen als »Störer« dazu bei.

Geklagt hatte die »Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg« (SPSG). Ihre Klage stützt sich überwiegend auf die Behauptungen, die angebotenen Fotografien seien von privatem Grund aus gemacht und als gewerbliche Fotos erlaubnispflichtig. Diese Erlaubnis wird – wenn überhaupt – nur gegen entsprechende Gebührenvereinbarung erteilt. Ferner behält sich die Stiftung die Entscheidung vor, welche Bilder sie überhaupt freigeben will. Gegen dieses Urteil hat sich eine breite Front –Journalistenverbände wie Verlegerverbände – formiert und wird die betroffenen Agenturen in ihrem Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung unterstützen. Am 22.12.2008 wurde beim OLG Brandenburg Berufung eingelegt.

Die SPSG, die das Weltkulturerbe Sanssouci oder auch das Charlottenburger Schloss verwaltet, beruft sich auf das Privateigentum, denn sie sei die Eigentümerin der Grundstücke und somit ihr Park Privatgelände. Aber das ist nur der Form nach so. In Wirklichkeit gehören die Schlösser dem Staat und die Stiftung ist ihrem Wesen nach eine staatliche. Sie wurde 1995 durch einen Staatsvertrag eingesetzt und mit der Aufgabe betraut, die übergebenen Kulturgüter zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um das zu sichern, sitzen im Stiftungsrat der SPSG auch Vertreter des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg.

Im Mittelpunkt steht die Frage des Eigentums. Kann ein öffentlich zugänglicher Park, für den die Öffentlichkeit zahlt, per Beschluss des Stiftungsvorstands zum Privatgelände deklariert werden? Wem gehören die öffentlichen Panoramen unserer Republik? Solche Streitfragen sind kein deutsches Problem – weltweit werden Bildurheber zunehmend mit Fotogenehmigungen konfrontiert. Normalerweise erhalten Fotografen eine pauschale Genehmigung zum Fotografieren, wobei die Einschränkung »non commercial« sich in der Regel auf Werbung bezieht und nicht auf Magazinfotografie oder Veröffentlichung in Büchern.

In »Wem gehört der Eifelturm?« (Freelens Magazin 17) wurde diese Thematik ausführlich vorgestellt. Die Franzosen kennen die Panoramafreiheit nicht, und so versuchen Sicherheitsleute rund um die Glaspyramide des Louvre jeden Fotografen zu verscheuchen, der sich ihr mit einem Stativ (das müssen Profis sein) nähert. Hier kommen die Urheberrechte der Architekten ins Spiel. Denen stehen nämlich nach französischem Recht bis 60 Jahre nach dem Tod auch Fotohonorare zu, für Publikation, die von ihm entworfene Bauten zeigen. Der Akt des Fotografierens wird in Paris nur marginal erfolgreich verhindert. Mir ist allerdings kein Fall bekannt, bei dem die Veröffentlichung eines Fotos in Reisemagazinen oder Bildbänden zu gerichtlichen Ansprüchen geführt hat.

Die Kulturverantwortlichen an der Seine wissen nur zu gut um die verführerische Wirkung der Bilder, mit denen Fotografen und Verleger weltweit für einen Besuch beispielsweise im Louvre werben. In dessen heiligen Hallen kann sich sogar jeder – ob professioneller Reisefotograf oder Frührentner – recht zwanglos mit der Kamera bewegen. Das berühmte Lächeln der Mona Lisa ist vorsorglich mit Panzerglas gegen das Leitzahlgewitter Abertausender von Pocketblitzen geschützt. Man vertreibt keine Goldesel.

Nicht so in Preußen. Die Schlösserverwaltung geht sogar einen Schritt weiter. Sie verfolgt zur Wahrung ihrer Monopolstellung nicht nur das ungefragte Publizieren sondern schon das bloße  Angebot solcher Bilder. In ihrer Klageschrift gegen die Fotografenagentur Ostkreuz und das Bildportal Fotofinder argumentiert die Stiftung, dass sie aufgrund leerer öffentlicher Kassen »auf die Vermarktung und Lizensierung der Stiftungsmotive angewiesen ist, um die Gebäude entsprechend ihrer Zielsetzung unterhalten zu können.«

»Auf diesem Wege soll den eigenen Publikationen ein Wettbewerbsvorteil verschafft werden«, bringt es Karim Saab (Redakteur der Märkischen Allgemeinen Zeitung) im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels auf den Punkt. »Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung, verwirklicht einen erzkapitalistischen Grundgedanken mithilfe des preußischen Amtsschimmels. … Für das Betreten der königlichen Parkanlagen, die stets allen Bürgern offen standen, möchte er künftig Eintritt erheben. Die Verknappung dieser Ressource lässt sich natürlich nur durch Law and Order durchsetzen. Im ablaufenden Jahr machte er vor allem durch eine rigide Parkordnung von sich reden, die er aber gegen massive Bevölkerungsproteste nur teilweise durchsetzen konnte.«

Die Stiftung sucht – wie sie selbst einräumt – die Kontrolle über die Bilder und sieht sich berufen, die Allgemeinheit »vor dem wahllosen Fotografieren« zu schützen. Dieser Monopolanspruch wird in der Urteilsbegründung des Landgerichts herausgestellt: »Zwar besteht ein allgemeines Interesse der Öffentlichkeit, die künstlerisch bedeutsamen Gebäude und Gärten  in den Parks der Klägerin kennenzulernen.  Die Klägerin befriedigt jedoch selbst dieses Interesse, indem sie Postkarten, Bildbände und Broschüren vertreibt und damit der Öffentlichkeit und den Medien den Zugriff nach den Regeln der Stiftungsrichtlinien gewährt.« Man kann das Kind auch gleich beim Namen nennen: Informationsmonopol und Zensur. Honecker, ikke hör dir trapsen.

Der so vehement vorgetragene Grund der Entlastung öffentlicher Kassen verdient es, genauer unter die Lupe genommen zu werden. Denn ob die verfolgte Aushebelung von Presserecht und Panoramafreiheit wirtschaftlich überhaupt Sinn macht und wie privat es bei den Finanzen zugeht, verrät ein Blick in den Stiftungshaushalt.

2007 lockten die Kulturdenkmäler unter der Obhut der SPSG etwa 2,2 Millionen Besucher an, die Einnahmen aus Eintrittsgeldern sowie exklusive Vermietungen (G8-Gipfel, etc.) beziffern sich auf 14 Millionen Euro. Zusätzlich schießen die Länder Berlin und Brandenburg und hauptsächlich der Bund Steuergelder für die Erhaltung der Kulturschätze zu – das sind zusammen über 110 Millionen Euro. Dagegen machen die kalkulierten Einnahmen aus Fotogenehmigungen im Etat der SPDG gerade mal 65000 Euro aus.

Was als vermeintliche Entlastung der Steuerzahler verkauft wird, entpuppt sich als Milchmädchenrechnung. Zieht man nämlich von den geplanten Fotoeinnahmen noch die Verwaltungskosten ab, die nötig sind, das Kleingeld administrativ einzutreiben, so bewegen sich die tatsächlichen Einnahmen weit unterhalb eines Promillesatzes des Stiftungshaushalts. Vermutlich wäre der Saldo sogar negativ. Ein Rechenkunststück soll als Brechstange herhalten, um Pressefreiheit und Panoramafreiheit auszuhebeln. Bei Ihrer Klage stützt sich die SPSG vor allem auf die Argumentation, Parks und Gebäude seien Privateigentum. Sie beruft sich auf die Regeln der Parkordnung. Die zentrale Frage ist aber: Handelt es sich bei den von der Stiftung verwalteten Parkanlagen nicht um öffentliche Orte?

Im Urheberrechtsgesetz § 59 UrhG wird die Panoramafreiheit garantiert. Es legt fest: Objekte, die sich dauerhaft an einem öffentlichen Ort befinden oder von dort aus ersichtlich sind, dürfen von öffentlichen Flächen aus ohne Genehmigung der Eigentümer fotografiert werden. Dieses Recht der Abbildungsfreiheit wurde vom BGH wiederholt bestätigt. Da dies nicht für Fotostandorte von privatem Grund gilt, verbeißt sich die Stiftung auf den privaten Charakter des Parks.

Auch das Landgericht Potsdam bleibt auf dieser eingefahrenen Spur. In seiner Urteilsbegründung beruft es sich auf die so genannte »Tegel-Entscheidung« des BGH aus dem Jahre 1974. Damals ging es um die Frage, ob Fotografien, die im Schlossgarten produziert wurden, kommerziell genutzt werden dürfen. Das wurde verneint. Das Urteil gilt heute als juristische Fehlleistung und kann die Ansprüche der Abmahner von Sanssouci auch nicht stützen: Denn Schloss Tegel befindet sich im privaten Besitz der Familie von Heinz. Zudem war der Zugang zum Schlosspark von Tegel seinerzeit nur nach Zahlung eines Eintrittsgeldes an einer Einlasskontrolle möglich.

Aufnahmen von Personen dürfen nicht ohne deren Einverständnis veröffentlicht werden. Das regelt das Recht am eigenen Bild. Aber gibt es ein Recht am Bild der eigenen Sache? Das haben mehrere Urteile bis zum BGH verneint. »Einem Eigentümer steht nicht ein Recht zu, Fotos seines Eigentums gegenüber jedem Dritten zu verbieten«, kommentiert Heise-Online das Potsdamer Urteil. »Selbst wenn die Ablichtung eines Gegenstands im Einzelfall auch zu einer Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werkes führt, hat der Urheber des Werkes dies in den Grenzen der großen Panoramafreiheit zu dulden.« Bleibt anzumerken, dass der Park des Alten Fritz dem gemeinen Volke seit Generationen zum Lustwandeln offen steht.

In photonews 10/08 fasste BFF-Justitiar Wolfgang Maaßen die Rechtslage zusammen: »Öffentlich sind solche Anlagen nach allgemeiner Auffassung dann, wenn sie jedermann frei zugänglich sind.« Dabei handelt es sich um Privatgelände mit Genehmigungspflicht, »wenn die Örtlichkeit durch Zäune oder Kontrollen vor ungehindertem Zutritt geschützt ist.« Nach Maaßens Ansicht »reicht es aus, dass ein Grundstück von der Allgemeinheit genutzt wird und jedermann ohne Eingangskontrolle freien Zugang hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, gehört es auch dann, wenn es sich im Privateigentum befindet, zu den öffentlichen Orten.«

Der Plan der SPSG, mit Toren und Kassenhäuschen Tatsachen zu schaffen und schon für das Betreten der öffentlich zugänglichen Gärten Eintritt zu verlangen, war vor ein paar Jahren am Widerstand der Potsdamer gescheitert. Nun versucht der Generaldirektor mit einem Schilderregelwerk am Eingang der Parks deren öffentlichen Charakter umzudeuten. Auf diese Verbotshinweise, die sich allein auf die hausinterne Stiftungssatzung stützen, beruft sich das Landgericht.

Natürlich dürfe jeder private Besucher seine Bilder kostenlos mit nach Hause nehmen – so das gnädige Zugeständnis der Hohenzollern-Verwalter. Auch tagespolitische Bilder seien nicht betroffen. Im Urteil des Landgerichts wird die Pressearbeit aber nicht einmal erwähnt, sondern als Beweis des Tatbestands nur die Parkordnung zitiert, nach der alle »Foto-, Film- und Fernsehaufnahmen zu gewerblichen Zwecken« der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Stiftung bedürfen.

In offensichtlicher Unkenntnis der Funktion von Bildagenturen behauptet das Gericht in seinem Urteil, dass die Arbeit von Ostkreuz nicht typischerweise pressebezogen sei: »Ihre Tätigkeit beschränkt sich auf das Bereitstellen von Fotografien, wobei sich ihr Angebot an jedermann richtet. Allein der Umstand, dass unter ihren Kunden auch Journalisten und Verlage sind, die Bilder von Kulturgütern im Rahmen ihrer Pressetätigkeit verwenden, bedeutet keinen organisatorischen und funktionalen Pressebezug ihrer Tätigkeit.« Eine solche Weltfremdheit gegenüber moderner Kommunikationstechnik im Zeitalter globaler Medienmärkte ist schon erstaunlich.

Und damit sind wir bei der zweiten Kernfrage: Was ist journalistische, was gewerbliche Fotografie? Macht es einen Unterschied, ob ein Motiv auf eine Kaffeetasse oder in einem Kulturmagazin gedruckt wird? »Kommerziell sei,« so Dr. Jürgen Becher (Leiter des Dokumentations- und Informationszentrum der SPSG) gegenüber der taz, »wenn jemand, zum Beispiel ein Makler, ein Foto vom Schloss Sanssouci nutzt, um Werbung für seine Immobilien in Potsdam zu machen – oder wenn jemand einen Bildband herausbringt.« Kurz: Ob Bildband oder Broschüre, ob Dokumentation oder Werbemittel, für die Stiftung ist alles »kommerziell« und somit gebührenpflichtig. Genau genommen ist natürlich auch ein tagespolitisches Pressebild des herbstlichen Schlossgartens kommerzielle Fotografie, denn Tagesspiegel oder Morgenpost drucken es nicht nur, um umfassend zu informieren, sondern auch, um Leser zu begeistern, um Auflage und somit Gewinn zu machen. Aber auch die von der Stiftung nur verbal geäußerte Akzeptanz einer »tagespolitischen« Pressearbeit ist fragwürdig und fiktiv. Gehören die zahlreichen Bildbände, Reiseführer oder Kalender, die uns unsere Kulturlandschaft näher bringen, nicht auch zur Wort- und Bildberichterstattung unserer Medienlandschaft? Und müssen sie nicht auch einen Gewinn erwirtschaften dürfen, ebenso wie die Tagespresse?

Der Streit schwelt schon lange, genau genommen seit 2003. Damals sollte der Potsdamer Fotograf Ulf Böttcher für seine Bildbände und Postkarteneditionen rückwirkend ein Nutzungsentgelt zahlen. Auch GeoSaison wurde damals von einem richtlinientreuen SPSG-Buchhalter zunächst als »gewerblich« eingestuft, was der Generaldirektor zur Vermeidung von Imageschäden flugs zurücknahm. Als GeoSaison dann nicht auf offizielle Motive aus dem Stiftungsarchiv zurückgreifen wollte und sich aus dem Archiv des Kollegen Böttcher bediente, schnappte die Genehmigungsfalle wieder zu. Eingeschüchtert durch die Übermacht der Hohenzollern-Behörde wählte der Fotograf angesichts seiner Einzelkämpferrolle statt Rechtsstreit den Vergleich.

Apropos Marktwirtschaft! Ein gut gemanagtes Tourismusbüro einer Kommune lässt den Medienspiegel seiner mehr oder weniger berühmten Sehenswürdigkeiten sorgfältig in Ordner abheften und führt sie stolz als Positiva. Denn jeder Dreispalter mit Bild, jede Doppelseite bringt Image. Rechnet man die Werbewirkung von Veröffentlichungen in Anzeigen um, würde das jeden öffentlichen Werbetat sprengen.

Aber was kümmert die Buchhalter eines hoch subventionierten Weltkulturerbes, womit sich die Kleingeister weniger geförderter Tourismusregionen herumschlagen müssen? Glauben die Potsdamer etwa, dass die für 2012 angepeilte Steigerung der Besucherzahlen durch ihre Veröffentlichungsbremse zu erreichen ist? Schon jetzt steht die Stiftung mit den Medien auf Kriegfuß. Wie Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins, es ausdrückt: »Potsdam ist auf der Hassliste die Nummer eins.«

Wenn diejenigen, die unsere Kulturgüter zum Gesprächsthema machen, für ihr »kommerzielles« Handeln auch noch zur Kasse gebeten werden, hat das Folgen. Der Verlag Ellert & Richter musste für eine Nachauflage »Schönes Potsdam« ein paar Tausender nachreichen und überlegt sich, ob sich solches in Zukunft lohnt. Der Rostocker Hinstorff-Verlag verzichtete gar auf die zweite Auflage eines vergriffenen Potsdam-Bildbandes, weil der Nachdruck laut der Potsdam’schen Gebührenordnung zusätzliche 8000 Euro gekostet hätte. Und in einem repräsentativen Brandenburg-Band des gleichen Verlages wird Sanssouci nur noch durch vier Luftaufnahmen vorgestellt.

Wenn nun alle Agenturen – auch bei Getty und Corbis stehen gute Sanssouci-Bilder im Angebot – aufgrund dieser Kurzsichtigkeit den Vertrieb »illegaler« Bilder einstellen, zerstört sich die SPSG eine höchst effektive globale Verbreitungsstruktur ihrer Motive. Eine monopolisierte staatliche Vermarktung – natürlich öffentlich gefördert – soll es wieder richten. Aber glauben die Verantwortlichen in Potsdam wirklich, dass die Medien auf Bilder zurückgreifen, für deren Verwendung sie nach einem Vertragswust nicht nur ein Nutzungshonorar, sondern zusätzlich eine Gebühr (die oft über dem Nutzungshonorar liegt) zahlen müssen? Statt das gewünschte Bild mit klarer Kostenübersicht einfach downzuloaden? Da fällt das Thema Weltkulturerbe in Potsdam fast automatisch wieder aus dem Layout und der Steuerzahler darf wieder die Geldbörse zücken – für Sanssouci-Werbung.

An nicht genehmigungspflichtigen Motiven bleibt wenig. Wir Fotografen dürfen eine Cessna chartern und unsere Objektive gleich auf Unendlich stellen. Individuelle Bildsprache bleibt auf der Strecke. Denn sämtliche Fotoveröffentlichungen  sind nur noch mit Gnaden der Stiftung möglich. In einem öffentlichen Park wohlgemerkt. Solche Monopolstellung beflügelt Zensur. Alles, was  der Stiftung missfällt, kann als »wahlloses Fotografieren« abgelehnt werden. Die künstlerische Freiheit wird durch das Bildermonopol des Eigentümers eliminiert. Nun zählt für den Bildredakteur nicht mehr das beste Bild, sondern das, was ihm das Stiftungsarchiv vorsetzen kann. Darf sich die Öffentlichkeit diese Bildselektion nach Gutsherrenart gefallen lassen?

Die Folgen für die visuelle Kulturlandschaft wären katastrophal. Auch ein von einer Verkehrsinsel des Potsdamer Platzes in Berlin-Mitte aus fotografiertes Stadtmotiv würde demnach genehmigungspflichtig. Denn der Straßenverkehr rollt gemäß Grundbuch auf Privatbesitz. Auch der zeltförmig »überdachte öffentliche Raum« (Eigenwerbung Sony) gehört dem japanischen Elektronikkonzern. Gleiches gilt für zahllose Einkaufszentren und Wohnanlagen der Republik. Oder auch für den Hamburger Hafen. Gehören die öffentlich zugängliche Kaianlagen, wo man sein Stativ aufstellt, der HHLA oder der Stadt?

Was ist dann noch fotografierbar – die Natur? Weit gefehlt. »Es bleiben nur noch Himmel, Wolken und Vögel übrig«, konstatiert Rechtsanwalt Dr. Christian Donle, der die verklagten »Störer« vor Gericht vertritt. Denn auch die hundertjährigen Feldbuchen stehen ja inmitten privater Felder. Und fließt der malerische Bach etwa auf Privatgrund? Oder anders gefragt: Warum sollte einem Landwirt oder einer Kommune verwehrt werden, was einem Potsdamer Generaldirektor erlaubt ist?

Für Fotografen, Medienvertreter und Verleger steht viel auf dem Spiel. Denn würde sich diese Rechtsauffassung von öffentlichem Raum und öffentlichem Panorama durchsetzen, hätte das katastrophale Folgen sowohl für die Pressefreiheit als auch für die geschätzte Welt der Bücher. Der Wahnwitz dabei: Eine staatliche Stiftung mit dem Auftrag, Kulturgüter zu verwalten, macht sich unter dem Vorwand der Staatsentlastung zum Vorreiter im Abmahnverfahren gegen die kulturelle Vielfalt.

Knebelverträge
Doppelte Kosten für eine einzige Veröffentlichung – wie das zustande kommt, erklärt Buchautor Karl Johaentges

In Sachen SPSG bin ich selbst Betroffener. Für mein langjähriges Bildbandprojekt »Dächer über Berlin« waren Fotos vom Charlottenburger Schloss unumgänglich. Zähneknirschend habe ich einen Knebelvertrag der Stiftung unterschrieben. Denn ohne das Schloss – neben dem Zeughaus die bedeutendste Barockanlage Berlins – wäre meine künstlerische wie journalistische Arbeit zu Berlin unvollständig gewesen.

Wenn Eigentümer uns Fotografen unter ihren Dächern arbeiten lassen und dafür eine Aufwandsentschädigung oder Stundensätze für Begleitpersonen in Rechnung stellen, ist das verständlich. Aber warum schlägt die SPSG auch hier über die Stränge? Für die Fotoerlaubnis, von der Kuppel des Schlosses aus fotografieren zu dürfen, musste ich alle Verwertungsrechte der produzierten Motive für die »Dauer der gesetzlichen Schutzfrist« abtreten und mit Nennung von Medium der Verwendung, Auflagenhöhe, Abbildungsgröße, Zahl und Größe der verwendeten Bilder vor Drucklegung hoch aufgelöst per CD liefern. Weit gefehlt, zu glauben, über die unentgeltlich abgegebene Fotoproduktion auch selbst verfügen zu können. »Die Fotoerlaubnis beinhaltet nicht die Reproduktionserlaubnis«, betont der Vertrag ausdrücklich.

Weil ich daraufhin über meine Bilder nicht mehr frei verfügen kann, muss ich, der Bildurheber, die Fotonutzung für den eigenen Bildband zurückkaufen. Die staatlich subventionierte Stiftung bedient sich dabei der MFM-Liste (Preisempfehlung der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing für Fotohonorare). Dabei ist das, was die SPSG verlangt, etwas ganz anderes, nämlich eine Gebühr für die Zustimmung zur Verwendung von Bildern ihres Eigentums. Diese Reproduktionserlaubnis gilt zudem nur für einen Zeitraum von drei Jahren und einen festgelegten Verwendungszweck (Erstauflage). Für die zweite Auflage muss wieder gelöhnt werden. Da ist leicht hochzurechnen, was auf die Verlagsbranche zukommt, wenn diese Abzockmentalität Alltag würde – nämlich doppelte Fotokosten.

Zur Bildstrecke gebracht
Wie schießt man Fotos von einem Objekt, das man nicht zeigen darf? Studenten der Ostkreuzschule haben es geschafft

Wird es demnächst nur noch schemenhafte Abbildungen von den Kulturgütern der Potsdamer Schlösserverwaltung geben? Die Fotostudenten der Ostkreuzschule führen uns die mögliche Zukunft vor Augen. Sie beschäftigten sich – extra für das FREELENS Magazin – mit den Einschränkungen der fotografischen Möglichkeiten und fanden individuelle Wege diese zu visualisieren. Betreut wurde das Projekt von Werner Mahler, Mitglied der Fotoagentur Ostkreuz, die von der Schlösserverwaltung mit einer Abmahnung bedroht wird.

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Karl Johaentges

hat über 25 Bildbände und zahlreiche Magazingeschichten publiziert. Sein hier erwähnter Band »Dächer über Berlin« wurde 2008 für den Deutschen Fotobuchpreis nominiert. www.kajofoto.de