Magazin #23

Alive and Kickin’

Schlucken bald die »großen Drei« auch noch die letzten unabhängigen Agenturen – und besiegeln so das Schick­sal der Autoren-Fotografie? laif-Chef Peter Bitzer sieht das anders: Fotografen­-Agenturen haben ihre besten Tage noch vor sich. Aber die werden anders sein als früher. 

Text – Peter Bitzer

Ach, was war das früher schön: Anfang/Mitte der 80er des letzten Jahrhunderts konnten sich ein paar Hände voll gut beschäftigter Autoren-Fotografen zusammentun und – indem sie ihre Bildbestände zu klangvollen Namen wie Bilderberg, Visum, laif u.a. zusammenlegten – mit den Arbeiten von ganzen 20 bis 25 Kollegen ausstrahlungsfähige »Bildagenturen der Fotografen« gründen. Die Qualität ihrer Arbeiten war einzigartig, gemessen am damaligen Standard der Nachrichten- und Stockbild-Agenturen. Dementsprechend groß war die Nachfrage. Mit dem eingenommenen Geld konnten die Fotografen gut gemeinsame inhaltliche Projekte wie Bücher oder Ausstellungen stemmen oder auch nur rauschende Feste feiern. Und für die Kasse der einzelnen blieb noch genug übrig.

Und heute ? Nur 15 oder 20 Jahre später hat sich die Situation völlig verändert: Getty & Corbis sind auch in Deutschland angekommen, die Anzahl der Spartenbildagenturen wächst, die Qualität der Nachrichten- und Stockbildagenturen ist deutlich gestiegen. Die Redaktionen erwarten einen täglich erneuerten Bildbestand, den 20 oder 25 Autoren-Fotografen gar nicht mehr leisten können – selbst wenn sie noch genügend Aufträge hätten. Dazu kommen die technologischen und damit finanziellen Anforderungen des digitalen Zeitalters. Und die vermeintliche Verschiebung aufs zunehmend unterhaltende und illustrative Bild statt des »Foto des Autors« in den gängigen Medien. Schlechte Zeiten also für Autoren-Fotografen und ihre Agenturen?

ANDERE ZEITEN

Das Wichtigste zuerst: Der Fotograf als Bildautor ist bedeutender denn je. Nur er oder sie kann leisten, was heute mehr und mehr gefordert ist: Kreativität in der Fotografie. Die ambitionierten Magazine und Werbeagenturen wissen das schon längst und buchen oder kaufen gerade diese Fotografen und ihre Bilder wieder verstärkt. Kein Erfolg von Neon, Park Avenue oder Quest ohne Autoren-Fotografen. Und das Schöne dabei: Auch der Massenfotomarkt wird sich am Ende (wie jedes Mal) zumindest partiell den neuen Bildsprachen nicht verschließen. Von daher ist es auch keine Überraschung, dass die noch vor wenigen Jahren von den Redaktionen als »zu autorenhaft« bezeichneten laif-Fotografen und -Produktionen heute zu den erfolgreichsten gehören.

Dramatisch geändert aber haben sich die Bedingungen, um heute eine gute Agentur von und für Autoren-Fotografen zu sein. Um in der hochkonkurrenten Situation im Bildermarkt mithalten zu können, müssen Fotografenagenturen vieles komplett anders machen als früher. Sie brauchen wesentlich mehr Bildinput und damit deutlich mehr Fotografen als früher. »Haben wir nicht« – diesen Satz kann man sich heute nicht mehr als zweimal hintereinander beim selben Kunden leisten. Fotografen-Agenturen müssen also wachsen, dürfen dabei aber ihre spezifische Qualität nicht verlieren. Gott sei Dank gibt es heute sehr viele hervorragende Fotografinnen und Fotografen. Ein weiteres gutes Mittel ist die Kooperation mit anderen hochwertigen Fotografen-Agenturen. laif etwa vertritt in Deutschland auch Contrasto, Rapho, Redux oder Vu. So kann man wachsen, ohne sein Profil zu verlieren.

INTERNATIONAL & DIGITAL

Aktiver Verkauf, aktives Marketing: Nur zu warten, dass Bilder bestellt oder heruntergeladen werden, reicht angesichts der aktuellen Marktsituation bei weitem nicht aus. Ob über eine ständig gepflegte Website, über gut gestaltete, kundengerechte aktuelle Mailings oder vor allem über den täglichen persönlichen Kontakt: Passgenaue Informationen, was für den jeweiligen Kunden jeweils neu als attraktives Angebot vorliegt, sind unerlässlich geworden.

Jede Marktchance nutzen: Es gibt sowohl innerhalb des traditionellen Magazinmarkts als auch außerhalb so viele, die gute Bilder nutzen möchten – sie müssen »nur« gefunden und angesprochen werden. Werbung & Industrie gehören selbstverständlich dazu, aber auch Ausstellungen, Bücher und Printverkauf können (gerade für Autoren-Fotografenagenturen) lohnende Märkte sein. Das dies alles international und digital sein muss, versteht sich mittlerweile von selbst.

GEMEINSAMKEIT ZÄHLT

Um all dies zu leisten, braucht es natürlich eine gute Personal- und Organisationsstruktur: Bei laif beschäftigen sich fast 40 Menschen damit, Fotos bestmöglich und umfassend zu vermarkten. Das Geld aus der optimalen Zweitvermarktung ist heute wichtiger denn je für Autoren-Fotografen, um auch unabhängig von Redaktionen eigene Projekte realisieren zu können. Viele der besten Arbeiten der laif-Fotografen sind so entstanden

So weit, so gut. Aber wo bleibt das für Fotografen und Mitarbeiter wichtige Gefühl, Teil einer spezifischen Fotografenagentur zu sein? Wo bleibt die »fotografische Familie?« Der persönliche Kontakt zwischen Fotograf und Agenturmitarbeitern, das gemeinsame Arbeiten an fotografischen Projekten (wie z.B. dem laif-Fotoprojekt zum Weltjugendtag letzten Sommer in Kön), an Büchern und Ausstellungen, das gegenseitige Zeigen von Produktionen auf Fotografentreffen, die gemeinsame Freude über gewonnene Auszeichnungen – alles das ist auch heute Bestandteil unserer Agenturarbeit. »Du brauchst beide Seiten: die Verkaufsmaschine und die persönliche Zusammenarbeit«, wird laif-Fotograf Andreas Herzau in einem Online-Artikel von Canon Europe zitiert. Recht hat er.

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Peter Bitzer
geboren 1954. Ausbildung zum Industriekaufmann, danach Mittlere Reife und Abitur auf dem 2. Bildungsweg. Studium der Germanistik und Politik in Marburg, 1986 Magister Artium. Einstieg in die Bilderbranche als Auslandsvertriebsleiter bei Bilderberg 1990–1992. Seit 1993 Geschäftsführender Gesellschafter von laif, Agentur für Photos & Reportagen GmbH. Verheiratet, eine Tochter.
www.laif.de