Magazin #31

Aus der Contentfabrik

Editorial – Manfred Scharnberg

2021 ist geprägt von einem Schlagwort: Automatic Generated Content. A.G.C steht für eine Entwicklung, auf die FREELENS bereits im letzen Jahr – dem seines 25-jährigen Bestehens – aufmerksam machte. Mit der Aktion »Kollege Computer knipst« warb der Verband für den Verbleib der Gestaltungskompetenz beim Fotografen. Die Botschaft: Bilder-Sreening ist keine Lösung für Quali­täts­medien. Vereinzelt setzen Medienhäuser bereits so genannte Visiotoren ein, optische Hilfskräfte, ausgerüstet mit einer 60 Megapixel Verlagskamera, mit der sie die gewünschte Szenerie abscannen.

»Das endgültige Bild entsteht sowieso im Layout«, hatte der gefeierte Designpapst Greg Lamonte verkündet – und öffnete damit der Ideologie, man könne Bilder lediglich als variablen Gestaltungsvorschlag ansehen, Tür und Tor. So jagen Medienhäuser bereits heute Bild-Rohmaterial durch ihre Gestaltungs-Computer, wählen den passenden Style und laden aus der riesigen zur Verfügung stehenden Bilddatei den brauchbaren Ausschnitt ins Layout.

Noch sind solche Contentfabriken die Ausnahme. Doch sie besetzen den Mainstream, erobern die Medienbereiche, mit denen das große Publikum zu gewinnen ist, und wo die fetten Werbeumsätze winken.

Die Konsequenz: Selbst Fotos müssen Platz für Werbung bieten. Bilder, die irgendwo Konsumartikel enthalten, sind der Renner. Je mehr, desto besser. Dann kann »adMAX«, ein A.G.C Tool, seine Möglichkeiten ausspielen. Die Software ist in der Lage, per Bilderkennung adäquate Reklame automatisch zu integrieren. Streift der Cursor des Nutzers später über diese Bilder, stößt der Ahnungslose auf Videos und Zusatzinfos. Bei einer Tasse öffnet sich eine Kaffee-Animation und eine Schrankwand startet den Clip eines Möbeldiscounters. Seit die Content Management Systeme etlicher Medienhäuser hochgerüstet sind, löst sich die strikte Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt völlig auf. Software, die gern als »Optimierung des Werbeumfeldes« verkauft wird, stellt die Funktion von Medien völlig auf den Kopf. Sie schafft der Werbung ein passendes Content-Umfeld und nicht umgekehrt.

So sieht Werbefinanzierung tatsächlich aus: »adMAX« stellt die gebuchte Werbung in den Mittelpunkt und gruppiert passende Inhalte drum herum – völlig automatisch. Wirbt ein Versicherungskonzern mit großem Etat, tauchen vorn Geschichten auf, die beunruhigen, über Rentenprobleme, Kriminalität und Naturkatastrophen. Werbung wird als Rettungsanker präsentiert. Springt ein Werbekunde aber ab, landen die passenden Inhalte irgendwo im Datennirwana. Bereits vor zehn Jahren, im Jahr 2011, fragte Wissenschaftsguru Ranga Yogeshwar: »Wo finde ich noch Informationen, die sich nicht als kommerzieller Köder entlarven?«