Magazin #21

Dem Kern der Dinge auf der Spur

Im Rahmen der 3. Triennale der Photographie zeigt Hans Hansen seine Schwarzweißbilder zum Thema »Glaswasser«.

Text – Kristina V. Klot

Massiv und glänzend wie Edelsteine prangen die Wassertropfen in der Mitte des Bildes. Und werden zum Rand hin immer kleiner, als seien sie mit Bedacht auf einer Brosche angeordnet. »Ich habe das Zentrum der Fläche stärker besprüht, deshalb sind die Tropfen dort dicker, und es entsteht der optische Effekt einer Wölbung«, erklärt Hansen. Auf einem anderen Foto wirken die kurvigen Umrisse hintereinander versetzt stehender Glasvasen wie Silhouetten von Wellen. Die erst auf den zweiten Blick erkennbare Verwandtschaft von Glas und Wasser reizt Hans Hansen schon seit Jahrzehnten. Seine Schwarzweiß-Fotografien, die jetzt unter dem Titel »Glaswasser« in der Freien Akademie der Künste zu sehen sind, trotzen dem flüssigen Element skulpturale Qualitäten ab, und seine Nahaufnahmen von unterschiedlich beleuchtetem Glas locken dessen weiches Geheimnis hervor. Den Gegenstand seiner Hingabe beschreibt Hansen so: »Beide Materialien leben vom Licht, sind transparent, für das menschliche Auge nahezu unsichtbar, und es gibt Zustände, bei denen man nicht unterscheiden kann, ob es Glas oder Wasser ist.«

Hansen zählt zu den berühmtesten Sachfotografen Deutschlands – unter anderem arbeitet er seit 15 Jahren für Vitra Design –, und seine große Leidenschaft richtet sich auf Objekte im Alltag: »Ich habe ein ausgeprägtes Interesse für die Dinge, die uns umgeben. In der Regel nehmen wir sie einfach nur hin, aber tatsächlich sind sie ja alle gemacht.« In seinen Augen sind Licht, Akustik, Haptik und Gestaltung der Dinge im Inneren eines Hauses für das Wohlgefühl der Bewohner ebenso wichtig wie die Architektur. Der Autodidakt betrachtet es als Herausforderung, über das intensive fotografische Ergründen der Dinge zu vermitteln, was in ihnen steckt. Allerdings sei auch schon vorgekommen, dass durch das präzise Arbeiten mit der Kamera plötzlich die Schwäche einer Gestaltung sichtbar wurde. »In solchen Fällen werden durch das Medium der Fotografie plötzlich Fehler sichtbar, die vorher niemandem aufgefallen waren.«

Als Gastprofessor an der Freien Akademie der Künste in Hamburg habe er seinen Studenten immer wieder nahegelegt, das Handwerk zu lernen, um sich mit Sachfotografie nicht zuletzt in schwierigen Zeiten ökonomisch über Wasser zu halten. Schließlich würden in Magazinen aller Art ungleich mehr Fotos von Dingen als von Menschen abgedruckt. Aber sein pragmatisches Argument habe leider kaum Gehör gefunden, und seine Obsession für »das Große im Kleinen« der Sachfotografie teilt er bis heute mit nur wenigen Menschen. »Die meisten empfinden Sachen als unglaublich langweilig. Aber mir macht es großen Spaß, mich mit dem sturen, ruhigen Zeug zu beschäftigen. Und wenn man überhaupt etwas Sinnvolles tun kann, ist das ohnehin nur sehr wenig – und erstreckt sich meist nur auf sehr kleinem Raum.«

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Kristina V. Klot
ist Soziologin und arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.