Magazin #19

Der lange Weg zur Marke

Nur wenige Fotografen wissen sich und ihre Bilder gut zu vermarkten. Doch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist erfolgreiche Eigenwerbung wichtiger denn je. Und überzeugendes Marketing erfordert Ausdauer und Kontinuität.

Text – Martin Jahrfeld

Wie platziert man Ronald Schill auf dem Rücken eines braunen Pferdes? Man überzeugt ihn mit Geduld und Phantasie, sagt Nicole Hollmann, die den umstrittenen Hamburger Innensenator im Rahmen einer Produktion über Wahlkampf-Spitzenkandidaten für das Magazin Focus ablichtete. »Die Sache mit dem Pferd war nicht einfach«, erinnert sie sich und bedauert, dass solche Ideen nicht immer adäquat bezahlt werden. Doch die Aufnahme des Rechtspopulisten hoch zu Ross ist mehr als Geld wert: »Das Foto besitzt hohen Aufmerksamkeitswert, die Kunden erinnern sich dadurch an meinen Namen«, sagt Hollmann, die das Bild bei Redaktionsbesuchen oft vorgezeigt hat. Im Kampf um Wahrnehmung und Aufträge – das weiß auch die People-Fotografin – sind ein paar tolle Aufnahmen jedoch nicht genug. Keine Angst vor großen Tieren zu haben, sagt Hollmann, sei nicht nur im Umgang mit Kameraobjekten, sondern auch gegenüber potenziellen Kunden wichtig: »Bei Terminen in Redaktionen bin ich meist optimistisch. Wer eine positive Grundstimmung vermittelt, hat bei der Akquise deutliche Vorteile«, beschwört sie die Werbewirkung guter Laune.

SELBSTERKENNTNIS OHNE EGO

Gute Fotos, gute Laune, gute Kontakte: Rezepte für die erfolgreiche Vermarktung der eigenen Arbeit sind leichter weitergegeben als verwirklicht – besonders in einer Zeit, in der die schwierige Marktlage selbst hartnäckige Optimisten ins Grübeln bringt. Doch gerade das aktuell mühselige Geschäft unterstreicht die Bedeutung guter Eigenwerbung – eine Aufgabe, die gerne ignoriert wurde, solange Honorare flossen und sich Anschlussaufträge von selbst ergaben. Doch seit Telefon und Handy häufiger stumm bleiben, stellen manche Freiberufler fest, dass sie ihre Eigenwerbung nicht nur vernachlässigt haben, sondern häufig kaum wissen, wie gutes Marketing eigentlich aussieht: Wie soll ich meine Website aufbauen? Rechnen sich die Kosten für die nächste Aussendung? Muss ich mehr Geld in meine Mappe investieren? Wie überzeuge ich einen schwierigen Art Director? Muss ich mein Themenspektrum erweitern? Fragen, bei denen der Überblick leicht verloren geht und der Mangel an Strategie mitunter durch spontane und sinnlose Einzelaktionen kompensiert wird.

Doch wo beginnt gutes Marketing? Margot Klingsporn hat eine verblüffende Antwort. »Selbsterkenntnis«, sagt die Geschäftsführerin der Agentur Focus, und empfiehlt zunächst eine ehrliche Analyse der eigenen Fähigkeiten und Grenzen: Was bin ich? Was kann ich? Wie will ich es vermitteln? Für Klingsporn sind das Fragen, die manch heilsame Selbstkorrektur in Gang bringen können: »Wer Erfolg haben will, muss lernen, muss sein eigenes Ego zurückstellen«, betont die Kennerin der Branche, die seit über dreißig Jahren mit Fotografen arbeitet. Eine gute Mappe nutze wenig, wenn deren Präsentation durch arrogantes Auftreten oder den Anschein mangelnder Zuverlässigkeit begleitet werde.

Doch bei der Akquise wirkt Selbstüberschätzung mindestens ebenso fatal wie allzu große Bescheidenheit: »Es gibt Kollegen, die entschuldigen die Fehler ihrer Bilder schon beim Auspacken«, beobachtet die Hamburger Reportagefotografin Ulla Kimmig. Grundsätzlich ist sie mit Focus-Geschäftsführerin Klingsporn jedoch einer Meinung: Die überzeugende Präsentation der eigenen Persönlichkeit sei für den Verkaufserfolg mindestens ebenso wichtig wie die Qualität der Bilder. »Der Kunde muss dich auf irgend eine Weise mögen, sonst hast du verloren«, glaubt Kimmig, die sich vor allem mit Reportagen aus dem Nahen Osten einen Namen gemacht hat.

EUPHORIE TROTZ REALITÄT

Gesprächskompetenz, Einfühlungsvermögen, psychologisches Geschick – wenn Fotografen über ihre Vermarktungsstrategien berichten, scheinen diese »soft skills« oft ebenso wichtig zu sein wie gute Internet-Seiten und überzeugende Mappen. Dass es sich dabei um Tugenden handelt, die bereits jeder Gebrauchtwagenhändler für seinen Beruf benötigt, ist eine Tatsache, die manch ambitionierter Fotograf nicht unbedingt gern hört: »Vor allem viele Jüngere sind nicht willens, sich als Dienstleister zu definieren, und stehen sich permanent selbst im Weg«, glaubt der Kreativ-Chef einer Werbeagentur und kommt zu einem wenig schmeichelhaften Urteil: »Es gibt soziale Autisten, die sich mit dem Blick durch die Kamera überhaupt erst einen Zugang zur Welt verschaffen. Der wirtschaftliche Misserfolg ist unter diesen Bedingungen fast zwangsläufig.«

Doch wenn Fotografen sich vielfach schlecht vermarkten, dann häufig auch aufgrund mangelnder Vorkenntnisse. Kurse über Verkaufstechnik und Marketing führen in Akademien und Fachhochschulen noch immer ein Schattendasein. Die dürftige Vorbereitung auf die Tücken des freien Wettbewerbs ist mitunter beabsichtigt: »Man sollte den jungen Leuten nicht die Euphorie nehmen und sie nicht desillusionieren«, argumentiert Vincent Kohlbecher, der an der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften angehende Fotografen unterrichtet. Kohlbecher, seit 17 Jahren als Fotograf im Markt, ist kein Freund aufwändiger Selbstinszenierung: »Ich halte nicht viel von schillernden Websites. Wer sich etablieren will, sollte nicht nur über Marketing, sondern auch über die Qualität seiner Bilder nachdenken«, so der Fotograf, der nur selten bei Redaktionen vorbeischaut und sich lieber auf ein Netzwerk bestehender Kontakte verlässt.

Medien-Consultant und Fotograf Thomas Raupach hält eine solche Strategie für fatal: »Anbieter ohne gute Website werden im Markt bald überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden«, prophezeit er. Kunden würden ihre Suche mehr und mehr über Internet-Recherchen und Datenbanken abwickeln, glaubt der Hamburger, der als Berater für Verlage und Industriekunden vorrangig im Netz nach Fotografen Ausschau hält. Investitionen von bis zu 2.000 Euro für die Erstellung der eigene Site sowie deren Verlinkung mit bekannten Fotografie-Portalen seien in jedem Fall gut angelegtes Geld, betont Raupach. »Fotografen, die in diesen Portalen mit einer ansprechenden Website präsent sind, vergrößern ihren Kundenkreis um ein Vielfaches. Die hohen Anfangsinvestitionen amortisieren sich schnell.«

BESCHEIDEN KLINKEN PUTZEN

Die persönliche Tuchfühlung mit den Kunden bleibt jedoch auch bei einer guten Website unverzichtbar: Vor allem für jüngere und wenig etablierte Anbieter sind regelmäßige Redaktionsbesuche oft die einzige Möglichkeiten, um mit möglichen Auftraggebern im Gespräch zu bleiben. Wer über hohe Frustrationsre­sistenz verfügt, ist dabei allemal besser gewappnet: Das Geschäft ist durch Allianzen und Seilschaften geprägt, die Tageslaune des Bildredakteurs häufig ebenso schwer zu durchschauen wie seine Entscheidungsbefugnis innerhalb der Redaktion. Und schwindende Budgets machen es auch wohlwollenden Fotochefs schwer, die Produktion einer Geschichte zu verantworten, wenn man gleichwertige Bilder von Agenturen günstiger bekommen kann.

»Das alles erfordert viel Fingerspitzengefühl«, sagt Ulla Kimmig. »Beispielsweise darf man die Leute nicht zu häufig nerven, das ist kontraproduktiv. Auch sollte man nicht nur Kontakt zu den Bildchefs, sondern auch zu Textredakteuren suchen, da deren Einfluss auf Themen- und Heftplanung häufig größer ist.« Kimmig setzt bei der Akquise auf ansprechende Präsentationsmedien. Eine Sammlung ihrer Reportagen ließ sie von einer Buchbinderei für teures Geld zu einer aufwändigen Mappe verarbeiten: »Einige Sachen davon habe ich direkt beim ersten Termin verkauft, das lag auch an der guten Aufmachung«, berichtet sie.

Robert Dieth hat hingegen schon lange keine Redaktion mehr von innen ge­sehen. Der Wein- und Food-Spezialist arbeitet auf dem Land in der Nähe von Mainz, seine Kunden in den Medienmetropolen besucht er selten. Auch Präsentationsmappen spielen in seinem Marketing keine Rolle, die meisten Geschäfte werden per Telefon abgewickelt. Über Auftragsmangel kann er dennoch nicht klagen: »Zuverlässigkeit ist die beste Eigenwerbung«, sagt Dieth, der außer Wein- und Gourmet-Magazinen auch zahlreiche Industriekunden beliefert. »Ich bewege mich nicht in der Szene und lade auch keine Art-Direktoren zum Essen ein.« Denn weitaus wichtiger sei die genaue Kenntnis der Kundenbedürfnisse: »Viele Auftraggeber wissen mittlerweile, dass ich sie kompetenter beraten kann als ein Art-Direktor oder Bildredakteur. Ich versuche offen und ehrlich zu bleiben. Auf diese Weise entstehen langfristige Bindungen«, erläutert er.

Wichtiges Zusatzinstrument bei der Vermarktung ist sein umfangreiches Bildarchiv. Die Wiederverwertung des Stockmaterials generiert nicht nur zusätzliche Einnahmen, sondern ist gleichzeitig eine gute Namenswerbung. Die allerdings hat ihren Preis: »Die Pflege des Archivs ist erhebliche Mehrarbeit. Meist habe ich eine Siebzig-Stunden-Woche«, sagt Dieth.

GIFTIGER ERFOLG

Die Spezialisierung auf ein klar umrissenes Themenfeld erleichtert die Profilierung, birgt jedoch auch wirtschaftliche Risiken. Denn längst nicht in allen Spezialgebieten ist die Nachfrage stabil oder breit genug, um berechenbare und ausreichende Umsätze zu generieren. Flexibilität hinsichtlich Themen und Bildsprache sollte andererseits jedoch nicht dazu verführen, jederzeit alles für alle anbieten zu wollen. Wer einen allzu dicken Bauchladen vor sich her trägt, läuft schnell Gefahr, nicht mehr ernst genommen zu werden.

Auch in den Bildredaktionen wird zumeist Wert auf eigenständiges Profil gelegt: »Die Themenschwerpunkte können verschieden sein, doch ein eigener Stil sollte auf jeden Fall deutlich werden«, betont Andrea Gothe vom Stern. Die Arbeiten, die die Fotochefin Woche für Woche erreichen, werden nach einer klaren Rangfolge begutachtet: Persönlich präsentierte Portfolios genieße hohe Aufmerksamkeit, postalische Aussendungen werden gerade noch wahrgenommen, Material aus dem Internet wird eher vernachlässigt. »Grundsätzlich kann jeder bei uns seine Sachen zeigen, nur sollte man nicht die Repräsentantin vorschicken«, betont Gothe, die zum Verdruss manch etablierter Fotografen mitunter gern die Diplomarbeiten junger Fachhochschulabsolventen ankauft.

Manch gestandene Freiberufler beargwöhnen diese Erwerbspolitik als Teil der allerorts grassierenden Kostensenkung und warnen ihre jüngeren Kollegen vor dem süßen Gift des allzu raschen Erfolgs: Wer sich in dem schwankenden Markt auf Dauer behaupten wolle, dürfe Einzelerfolge nicht überbewerten, sondern müsse dafür sorgen, dass seine Arbeit langfristig unverwechselbar werde, so der Tenor der erfahrenen Kollegen. Für Margot Klingsporn ist in diesem Zusammenhang ein Mann wie André Rival beispielhaft: »Dessen Inszenierungen sehen amüsant aus, doch dahinter steckt viel Arbeit und langfristige Strategie.«

Rivals gleichermaßen eigenwillige wie erfolgreiche Porträts und Selbstinszenierungen zeigen, dass die Suche nach unkonventionellen Wegen mitunter fruchtbarer sein kann als das Marketing auf ausgelatschten Pfaden. Auch der Hamburger Fotograf Martin Langer hat erfahren, wie abseitige fotografische Steckenpferde nicht nur der beruflichen Erfüllung dienen, sondern darüber hinaus auch Werbewirkung erzielen können. In einem Langzeitprojekt fotografiert der 47-Jährige seit über zehn Jahren die Veränderungen eines ostdeutschen Dorfes. Der NDR fand das Projekt interessant genug, um daraus eine komplette Kulturreportage zu machen – für Langer eine ebenso unerwartete wie breitenwirksame Werbeplattform.

Die Werbewirkung einer guten Website ist nach Ansicht von Medien-Consultant Thomas Raupach von vielen Fotografen noch immer nicht erkannt worden. Wer den Aufbau einer eigenen Seite in Angriff nimmt oder die bestehende Präsenz verbessern will, sollte über folgende Aspekte nachdenken:

Auch bei eigenen Fachkenntnissen ist die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Web-Designer empfehlenswert. Web-Designer sorgen nicht nur für Professionalität, sondern leisten wichtige Beratung in Sachen Grafik, Programmierung und Farbwahl. Allerdings sollten Fotografen auch nicht jeder Idee des Web-Designers nachgeben, wenn sie den Eindruck haben, dass diese nicht ihren eigenen Vorstellungen entspricht.

Lange Ladezeiten sind ärgerlich. Der Aufbau der Startseite sollte nicht länger als 15 Sekunden betragen. Die Geduld im Internet ist bekanntlich begrenzt.
Schnicksack schreckt ab! Flash-Animationen oder versteckte Buttons mögen bei einem ersten Seitenbesuch noch lustig sein, wirken darüber hinaus jedoch nervtötend. Seiten mit intelligenter Navigation und übersichtlichem Aufbau werden häufiger besucht.

Jede Website ist nur so gut wie ihre Einbindung in ein Fotografen-Portal. Die Integration in die Auftritte von Agenturen oder in Webpools wie fotojob.de etc. ist wesentlich für den Erfolg der Seite. Auch über die Verlinkung mit werblichen und kostenpflichtigen Plattformen wie zum Beispiel Select Online gilt es nachzudenken.

Weniger ist oft mehr! Wer zu viele Meisterwerke auf seiner Site präsentiert, überfordert die Aufmerksamkeit des Betrachters. Dreißig bis fünfzig gute Fotografien sind ausreichend.

Die Atmosphäre der Site sollte mit der fotografischen Arbeit korrespondieren. Wer Rock- und Popstars fotografiert, darf mit knalligen Farben und Formen auftreten. Wer Banken und Versicherungen als Kunden gewinnen will, muss entsprechend dezenter agieren.

Relaunch nicht vergessen! Mindestens zweimal im Jahr empfiehlt sich eine Aktualisierung der Site. Auch die technische Anpassung an neue Programmiersprachen und Browsertypen sollte beachtet werden.

Geld in die Hand nehmen! Investitionen in Höhe von 2.000 Euro beim Erstaufbau der Site sind angemessen.

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Martin Jahrfeld
ist freier Journalist in Hamburg und arbeitet im Redaktionsbüro Druckreif.