Magazin #30

Die Begehrlichkeiten der Verwerter

Verlage beklagen, dass das gegenwärtige Urheberrecht angeblich Kreativität und Innovation behindere. Die Nutzer von geschützten Werken setzen derzeit ihre eigene Kreativität dafür ein, die Rechte von Urhebern zu beschneiden

Text – Dirk Feldmann

Die meisten Fotografen kennen sie schon, die neuen Verträge der Verlage, in denen alle Rechte gegen einmalige Zahlung verlangt werden. Der Urheber soll unterschreiben, dass die ihm angebotene Vergütung angemessen ist und sämtliche denkbaren Verwertungen abdeckt. Zuletzt hat sogar Die Zeit derartige Verträge versandt und darin auch noch die Altverträge einbezogen. Begründet wird diese Vorgehensweise damit, dass es die Abrechnung vereinfache. Auch wenn dies richtig sein mag, wird der Fotograf oder Textjournalist den »Papierkram« gern in Kauf nehmen, der beim Abrechnen weiterer Nutzungen entsteht. Und dem Verlag möchte man schon zumuten, dass er die von ihm erdachten weiteren Verwertungsmöglichkeiten nicht nur für seine eigenen Bilanzen, sondern auch für den Urheber dokumentiert und abrechnet.

Mittlerweile sind aufgrund von Gerichtsverfahren, die die Berufsverbände der Urheber (Freelens, DJV, Verdi) betrieben haben, den Verlegern die Grenzen für ihr Vorgehen aufgezeigt worden. Sowohl Landgericht und Kammergericht Berlin sowie das Landgericht Hamburg haben in mehreren Entscheidungen bestätigt, dass die Flatrate-Klauseln gegen das geltende Urheberrechtsgesetz verstoßen. In diesem ist festgelegt, dass der Urheber angemessen vergütet werden muss, was eine Beteiligung auch an zukünftigen Verwertungen beinhaltet.

Auch wenn die Urteile in höheren Instanzen erwartungsgemäß bestätigt werden sollten, wird man als Urheber dennoch weiter um angemessene Bezahlung und Beteiligung an Verwertungen kämpfen müssen. Bereits am Beispiel der Zeit wird deutlich, dass sich die Verlage nicht durch Urteile abschrecken lassen, die gegen andere Unternehmen ergangen sind. Zudem steht zu erwarten, dass aufgrund der Urteile immer nur die weitestgehenden Formulierungen in den Verträgen geändert werden, das Ziel der Verwerter aber unverändert bleibt: Möglichst viele Rechte gegen einmalige Zahlung zu erhalten. Erst wenn noch zu erwartende neue, alternative Verträge gerichtlich überprüft sind, wird eine gewisse Rechtssicherheit eintreten können, auf was man sich als Urheber einlassen muss. Dass die Aussichten insoweit nicht rosig sind, wird durch parallel laufende Entwicklungen verdeutlicht. Zum Einen kämpfen die Verleger um ein ins Urheberrechtsgesetz neu aufzunehmendes Leistungsschutzrecht. Dieses soll ihnen eine Vergütung für jeden Fall der Nutzung/Veröffentlichung ihrer Artikel verschaffen. Ziel ist es, z.B. Verwertungen im Internet, insbesondere auch über Suchmaschinen, zu erfassen. Die Verlage reklamieren hier also für sich genau das, was sie den Urhebern verweigern: Eine Beteiligung an jeder Verwertung ihrer Leistung. Die Forderung gegenüber dem Gesetzgeber sollte also dahin gehen, ein derartiges Leistungsschutzrecht nur unter der Voraussetzung aufzunehmen, dass die Urheber hieran entsprechend beteiligt werden.

Die andere Entwicklung ist genereller Art. Die so genannte »Weltwirtschaftskrise« hat sowohl Urheber als auch Verwerter erfasst. Da aber nur die Verwerter eine wirtschaftlich bedeutende Lobby haben, wird mittlerweile auch von zunächst unverdächtigen Institutionen, wie der Freien und Hansestadt Hamburg kolportiert: Es sei das Urheberrecht, dass in der Krise stecke. Dieses werde nicht mehr akzeptiert und passe »nicht mehr zu den technischen Möglichkeiten und Nutzungsgewohnheiten«. In einem Diskussionspapier vom 12.03.2010 stellt die Freie und Hansestadt Hamburg die Frage nach einer »nutzerorientierten Ausrichtung des Urheberrechts«. Das derzeitige Urheberrecht hemme Kreativität und Innovation. Der Gesetzgeber müsse überprüfen, ob die derzeitigen »Gesetze noch dem gesellschaftlichen Konsens entsprechen oder zumindest die Auffassung der Mehrheit widerspiegeln und für die Minderheit akzeptabel sind«.

Obwohl der Gesetzgeber in den vergangenen zehn Jahren durch mehrere Novellen das Urheberrechtsgesetz gerade weitgehend renoviert hat, wird dessen ausdrückliche Zielrichtung, den Urheber zu schützen und an den Erträgen seiner Leistungen zu beteiligen, damit massiv in Frage gestellt. Der konkrete Vorschlag des Diskussionspapiers lautet, den Werknutzer neben den Urheber zu stellen und ihm den Schutz des Gesetzes zukommen zu lassen. Das Gesetz soll dann heißen: »Gesetz über Urheberrechte, verwandte Schutzrechte und Nutzungsfreiheiten«. Unter den zahlreichen weiteren Änderungsvorschlägen will man den gegenwärtigen Leistungsschutz für Lichtbilder sowie deren Schutzdauer flexibilisieren – also zu ungunsten der Urheber verändern. Es ist also noch einiges zu erwarten.

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Dirk Feldmann

hat sich auf medienrechtliche Fälle spezialisiert. Er berät den FREELENS Vorstand bei dessen Tätigkeit. Vereinsmitglieder können bei ihm kostenlos Rat einholen.