Magazin #09

Die eierlegende Wollmilchsau

Editorial – Bernd Euler

Fotografen können nicht schreiben! – sagen Redakteure. Schreiber dürfen nicht fotografieren! – meinen Fotografen. Was nicht sein kann, das nicht sein darf. Das Thema – die eierlegende Wollmilchsau im Journalismus oder der schreibende Fotograf – war uns in diesem Heft eine genauere Betrachtung wert.

Ist dieses Zwitterwesen – nennen wir es einmal »Schreibograf« – nun das Resultat von Jobvernichtung? Werden Fotograf und Schreiber im aktuellen Verlegerdenken zwangsverschmolzen, wie aus Lithografen und Setzern der DTP-Operator wurde? Für kleine Tageszeitung ist dies wohl schon Realität. Und auch die Arbeitsverträge einiger großer überregionaler Blätter verpflichten den Schreiber zum Foto. Per Crashkurs wird der Knips trainiert – der arme Betrachter… Da kommt schnell der Verdacht auf, verlegerische Interessen reduzieren das gedruckte Bild zum typografischen Element. Grauflächen!

Die bunte Magazinlandschaft war das klassische Dorado des Bildjournalismus. Hier wurden die großen Bildstrecken »abgefahren«; man feierte den Fotojournalismus auf Doppelseite um Doppelseite. Nun ja, auch diese Zeit, sie scheint vorbei. Die Fotoreportage ist als Medium und Genre ausgemustert, besetzt allenfalls Restplätze in großen Magazinen. Stockfotografie, Agenturware beherrscht das allgegenwärtige kleinteilige Heftkonzept. Small is beautiful, scheinen die Artdirektoren für die journalistische Fotografie entschieden zu haben. Gleichzeitig entstehen immer mehr Magazine mit immer kleineren Etats.

»Special Interest« ist das Zauberwort. Der redaktionelle Alltag: Entweder werden die Geschichten am Schreibtisch geschrieben und per Bildagentur visualisiert. Oder man schickt eines dieser möglichst freiberuflichen Zwitterwesen auf Pressereise, das spart auch noch die Spesen. Journalismus??? No comment! Ein Konzept jedenfalls, das im Bermudadreieck zwischen Leserbefragung, Auflagenzahlen und Anzeigenreichweite zu funktionieren scheint.

Schreiben und Fotografieren als symbiotischer Prozeß: Sehen wir es positiv. Auch wenn die Beispiele rar sind – es könnte sich ergänzen. Wer doppeltes Honorar, ein Mehr an Zeit und damit größeres Engagement in ein Thema legt, kann tiefer schürfen und vielseitiger Belichten. Die Qualität steigt. Beweise? Mit Rolf Bauerdick gelang es einem dieser symbiotischen Individuen, die Endauswahl des Hansel-Mieth-Preises zu erreichen – und er bekam eine Auszeichnung. Na also!