Magazin #14

Fotobücher zu machen ist wie im Haifischbecken zu leben

Früher wurden hier Würstchen verkauft – heute liegen Fotobücher im Schaufenster. Hamburg, Schanzenviertel, Sitz des 1999 gegründeten Kruse Verlages; in direkter Nachbarschaft New-Media-Firmen und der Schlachthof. Ist der Weg in die Selbstständigkeit mit einem Fotobuchverlag anachronistisch? 

Lars Kruse und Peter Lindhorst im Gespräch mit GESCHE M. CORDES, URS KLUYVER und KAY DOHNKE

 FreeLens: Zum Ende des 20. Jahrhunderts werden Start-Ups gegründet, »Digitalisierung« und »Internet« sind Zauberworte für künftige Berufskarrieren – wie kommt man auf die Idee, jetzt einen Fotobuchverlag zu machen?

Kruse: Die Frage hat uns die Bank auch gestellt (lacht) – so ungefähr: ‚Warum machen Sie nicht etwas im Internet?‘ Ich glaube, gerade aus diesem Grund: Wir verlegen Fotobücher aus der Intention, jedermann phantastische Fotografien so dicht wie möglich am Original nahe zu bringen. Wir haben das Konzept, eher unbekannte Künstler zu veröffentlichen und sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Es sollen also nach wie vor Bücher sein, die Sie verkaufen, und nicht etwa Bilder im Internet, die man sich für eine Gebühr herunterladen und ausdrucken kann.

Kruse: Ein Foto auf dem Bildschirm ist zwar dasselbe Bild – aber es ist dennoch nicht dasselbe Foto; es hat überhaupt nichts mehr mit Haptik zu tun, besitzt in keinster Weise mehr eine gedruckte Qualität, ist digitalisiert. Das hat mich eigentlich beflügelt, einen Fotobuchverlag zu gründen – auch in einer Zeit der immer stärker zunehmenden Internetgalerien und des Printverkaufs im Netz.

Und wie wird man Verleger?

Kruse: Das war ein Zufall. Ich war vorher Art Director, habe für Werbeagenturen gearbeitet und mich dort hauptsächlich mit Fotografie und Design auseinander gesetzt. Während eines Jobs lernte ich einen Fotografen kennen, der mir wundervolle Platinum-Prints gezeigt hat, ganz tolle schwarzweiße ethnografische Aufnahmen. Da hab ich ihm gesagt, mach doch ein Buch draus. Das hatte er schon mal getan, war aber mit dem Resultat seines Erstlings unzufrieden und meinte irgendwann: ‚Try to make it better‘. Ja, und so zog ich mit einem Originalprint los, habe ihn reproduziert, ein kleines Layout da herumgebastelt und ihm das Resultat gezeigt. Er schaute drauf und meinte, ‚You should publish it‘. Ich hab nur gesagt, was soll ich machen???

Das war der Grundstein: Ich habe versucht, dieses Buch nebenberuflich zu verlegen. Ich komme ja nicht aus dem Verlagswesen, für mich war das alles Neuland. Nachdem ich merkte, wie viel Spaß mir das macht, habe ich spontan meine Lieblingsfotografen angeschrieben, von denen ich wusste, dass sie noch kein Buch veröffentlicht haben. Ich dachte, warum gibt es kein Buch von diesen Leuten? Wieso werden sie nicht von den großen Verlagen publiziert? Und so haben wir dann schnell unsere Lücke gefunden – inzwischen arbeitete ich neben Meike Lottmann mit Peter Lindhorst zusammen, der aus dem Verlagswesen kommt und mich von dieser Seite her wunderbar unterstützt.

Lindhorst: Eines Tages erhielt ich einen Anruf; da sagte jemand: ‚Hör mal zu, ich will einen Verlag gründen.‘ Und ich dachte nur, Mann, noch so einer, der sich selbst verwirklichen will. Ich war erst einmal sehr skeptisch, habe Lars dann näher kennen gelernt und festgestellt, dass er diese Sachen sehr geradeaus und relativ unbekümmert angeht – von der Produktionsseite wusste er selbst viel, doch vom Buchhandelswesen wenig.

Woher kommt Ihre Erfahrung mit Büchern?

Lindhorst: Ich habe es von der Pieke auf gelernt – war Buchhändler, habe mich auf Kunst und Fotografie spezialisiert und in einer Fotobuchhandlung gearbeitet. Dann habe ich angewandte Kulturwissenschaften studiert, mich dabei einerseits auf die dort angebotenen Bereiche PR und Marketing konzentriert, auf der anderen Seite aber auch Fototheorie belegt. Das war für mich eine schöne Kombination, da ich schon am Anfang meines Studiums wusste, ich möchte irgendwann in einen Verlag gehen oder zu einem Magazin.

Nach Abschluss meines Studiums ergab sich die Gelegenheit, dass mich Gerhard Steidl gefragt hat, ob ich für ihn arbeiten möchte. Und da Steidl eng mit dem Scalo Verlag verbunden ist, habe ich das schließlich geteilt, war zur Hälfte für Steidl und zur Hälfte für Scalo tätig. Dort habe ich in ganz verschiedene Bereiche Einblick bekommen – eben jenes Know-how gesammelt, das ich jetzt aus den großen Verlagen in diesen kleinen Verlag hineinzubringen versuche.

Muss jemand, der Fotobücher verlegen will, ein Liebhaber der Fotografie sein, oder ist er besser ein knallhart kalkulierender Geschäftsmann, der überlegt: Hier gibt es ein Marktsegment, da existiert noch kein Anbieter, und ich fülle es mit einem Produkt?

Kruse: Bei mir ist es die Liebhaberei zur Fotografie. Unser Konzept ist, junge Künstler, von denen wir glauben, sie sind auf dem Sprung, bekannt zu machen, in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir versuchen noch, Namen zu etablieren und nicht auf etablierte Namen zu setzen. Dahinter steckt die Intention, das zu machen, was wir wollen – unser erster Filter ist: Finden wir das klasse? Und dann: Finden das vielleicht ein paar Tausend weitere Leute auch klasse? Wir machen ja kleine Auflagen und müssen keinen Massenmarkt bedienen. Dieser Nischenmarkt funktioniert relativ gut, gerade mit unserem internationalen Vertrieb.

Wobei andere Verleger sagen, genau der Nischenmarkt funktioniere nicht – man müsse den großen Markt haben, um die Investitions- und die Druckkosten wieder hereinzubekommen …

Kruse: Viele Verleger stellen sich – um ihre schönen Fotobücher zu finanzieren – zunehmend auf den Massenmarkt ein. Und dann entstehen Bücher, bei denen man förmlich riecht, dass damit Geld verdient werden will. Wer den Massenmarkt bedient, hat hohe Fixkosten; da spielen eben Personal, Miete etc. eine weitaus größere Rolle als bei uns. Weil wir noch relativ klein und jung sind, halten sich diese Kosten in Grenzen.

Dafür sind bei uns die Produktionskosten der größte Faktor, weil wir alles in Deutschland drucken; wir reproduzieren in Hamburg, wir drucken in Hamburg. Diese Kosten sind definitiv sehr hoch, und sie würden sich natürlich bei höheren Auflagen vergleichsweise – auf das einzelne Buch umgerechnet – reduzieren. Doch ab einem gewissen Punkt kämen dann wieder hohe Lagerkosten hinzu, spielen andere Posten eine Rolle.

Ein Blick auf Ihr Programm zeigt zwischen xxxholy von Peter Bialobrzeski und Surface Tension von Katharina Bosse eine ziemliche ästhetische Distanz. Sind das die Eckpunkte, oder in welche Richtung soll das Programm ausgebaut werden?

Lindhorst: Ich persönlich möchte mir da thematisch gar keine Zwänge auferlegen und programmatisch sagen, ich mache jetzt Lifestyle-Geschichten oder Fashion, Akt, Reportage. Da bin ich also völlig frei. Es muss mich interessieren; ich sehe vielleicht etwas in den Medien, es sprechen mich Leute an. Oder aus der Erfahrung, die ich inzwischen gesammelt habe, denke ich an bestimmte Fotografen, mit denen man vielleicht etwas machen könnte. Ich möchte mich aber nicht festlegen lassen, kann mir durchaus vorstellen, dass neben einem Schwarzweiß-Reportagebuch auch ein neuer junger deutscher Modefotograf präsentiert wird.

Kruse: Ich sehe es ganz genauso: Wir wollen eigentlich das realisieren, was uns Spaß macht und ethische und moralische Grundsätze nicht verletzt. Das wäre ein Punkt, da kann die Fotografie noch so gut sein, aber wenn das gegen solche oder auch politische Grundsätze verstößt, machen wir das nicht. Und was wir auch in keinster Weise machen wollen, ist, auf irgendwelche Züge aufzuspringen, sondern wir haben schon den Anspruch, die Projekte selbst zu suchen. Dadurch sind sie auch sehr, sehr unterschiedlich.

Wie kommen Sie zu den Fotografen – oder kommen die zu Ihnen?

Lindhorst: Die Projekte, die wir bisher realisiert haben, stammen aus unserer Initiative; die können sich aus vielfältigen Impulsen zusammensetzen. Das kann eine Ausstellung sein, ein Magazin … Wir haben irgendwann einen Katalog gesehen, der war für die Werbung produziert, den fanden wir ganz toll. Den Fotografen haben wir angerufen, und vielleicht ergibt sich mit ihm in der Zukunft etwas. Doch inzwischen ändert sich die Situation auch – Leute hören, da gibt es einen neuen Fotobuchverlag, und kommen dann mit ihren Mappen vorbei.

Kruse: Einerseits fühlt man sich natürlich geehrt, wenn jemand kommen und Sachen zeigen will. Nur fängt es auch ganz schnell zu kippen an, weil man sich für jedes einzelne Projekt die nötige Zeit nehmen möchte, um es anzugucken. Jeder Fotograf – ob man seine Arbeit mag oder nicht –, jeder Fotostudent, jeder, der uns Arbeiten zeigt, hat sich dabei etwas gedacht und eigentlich das Recht darauf, unsere Kritik zu hören, dass wir uns damit beschäftigen und nicht sagen, wir haben keine Zeit.

Lindhorst: Auf der Frankfurter Buchmesse war es extrem: Da kamen täglich 10, 15 Leute, die ihre Projekte vorgestellt haben. Und das waren nicht nur Studenten, sondern auch gestandene Fotografen, die schon Bücher gemacht haben. Und davon realisieren wir – eins.

Mittlerweile sind wir in einer besseren Verhandlungsposition. Als wir anfangs diverse Fotografen angerufen und uns als Hamburger Fotobuchverlag vorgestellt haben, waren die erst einmal ganz erstaunt. Jetzt aber sehen sie, dass es bei uns Bücher gibt, die qualitativ hochwertig sind, und das verschafft uns einen viel günstigeren Einstieg, um mit bestimmten Leuten ins Gespräch zu kommen. Ich würde mich auch nicht dagegen sträuben, mit einem sehr bekannten Fotografen ein Buch zu machen, wenn uns das Thema zusagt und es nicht einfach nur eine Reproduktion alter Arbeiten ist. Doch der Name – ob groß oder klein – ist nicht maßgeblich.

Ist das alleinige Vertrauen auf den eigenen Geschmack nicht vielleicht etwas riskant, wenn der Markt auf Mainstream orientiert ist?

Kruse: Irgendwann kommt doch wieder das Geschäft in den Vordergrund. Wenn es um ein Projekt geht, das wir sehr gut finden, von dem sich aber – evtl. nach Rücksprache mit unseren Distributoren – herausstellt, dass es sich etwa auf unseren Hauptmärkten Amerika und Asien schlecht verkaufen ließe, würde ich letztendlich auch bei einem noch so schönen Fotoprojekt absagen. Wie gesagt, die Lithokosten, die Druckkosten sind da; es bleibt doch eine Frage der Kalkulation. Liebhaberei steht natürlich im Vordergrund, aber wenn wir die Miete nicht mehr bezahlen könnten, nützt die schönste Liebhaberei nichts.

Sie sagten, Ihre Hauptmärkte sind Amerika und Asien?

Kruse: Alle unsere Bücher haben englischsprachige Texte. Wir haben internationale Vertriebspartner gewählt, um eine Flächendeckung des Fotobuchmarktes zu erreichen. Es ist tatsächlich so, dass Amerika eigentlich der Hauptmarkt ist, gefolgt von Europa, hier vorrangig Deutschland und England. Und dann kommt auch schon Asien, hauptsächlich Japan.

Lindhorst: Nur so funktioniert das Konzept dieses Verlags – wenn man überlegt, wie viele Leute in Deutschland an Fotobüchern interessiert sind, bewegt sich das ja manchmal an der Hundertergrenze. Da muss man schon überlegen, wie man eine solche Auflage verkaufen kann.

Also gibt es noch einen weiteren Filter, nämlich die Distributoren, mit denen man vorher auch noch einmal spricht und eine Einschätzung einholt …

Lindhorst: … nur wenn wir ganz unsicher sind! Normalerweise setzen wir uns allein mit der Frage auseinander, ob es sich lohnt, etwas gut zu finden, ein Buch daraus zu machen und das verlegerische Risiko einzugehen. Teilweise werden uns enorm aufwendige Dummies vorgelegt. Man lernt, sich nicht zu schnell davon beeindrucken zu lassen – toll gemacht, aber funktioniert das auch tatsächlich als Buch? Da besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Vorstellungen in den Köpfen der Leute, wie Fotobücher funktionieren, und der Realität des Marktes.

Bislang besteht Ihr Programm aus acht Büchern pro Jahr – die intensive und individuelle Betreuung jedes Projektes steht also im Mittelpunkt.

Kruse: Es ist schon so, dass wir vom ersten Augenblick an alles mit dem Fotografen zusammen erarbeiten wollen, bis hin zur Druckabstimmung. Zuerst ist da ein Köfferchen mit Fotos, und daraus soll ein Buch werden. Das ist auch der Grund, warum ich es vorziehe, möglichst keine vorgefertigten Dummies anzuschauen, sondern mich erst einmal völlig frei und unabgelenkt von irgendwelchen Designfragen ausschließlich auf die Fotos zu konzentrieren. Denn grundsätzlich geht es uns um die Fotografien und um nichts anderes.

Das Design eines Buches ist sehr schwierig – den jeweiligen Fotografien den richtigen Rahmen zu verleihen, ohne zu viel zu geben. Man darf für mein Empfinden den Fotografien noch einen kleinen Umhang geben, sie schön verpacken; es soll aber kein Designbuch werden, sondern ein Fotografiebuch bleiben. Das alles kostet sehr viel Zeit; jeder einzelne Schritt wird von uns betreut. Und das kostet Kraft. Es war schon bei den acht Büchern im letzten Jahr hart, und wenn ich mir vorstelle, es kommen zwölf …

Eine Ihrer Marketingideen ist die »Deutsch«-Reihe, sozusagen ein »blind date« mit neuer Fotografie …

Kruse: Wir wollen gern überraschen, deshalb unsere »Deutsch«-Reihe, in der wir vierteljährlich einen neuen Fotografen vorstellen. Es gibt eigentlich kein richtiges Medium, das sich ausschließlich um deutsche Fotografie kümmert. Das hat nichts mit Patriotismus zu tun – wir sind der Meinung, dass es sehr viele gute deutsche Fotografen gibt, und eine ganze Reihe davon sind Spitzenklasse. Wir versuchen, ein bisschen zu entdecken und nicht nur auf Namen zu setzen, die es schon geschafft haben.

Die Bücher sind im Abonnement zu erhalten, und man weiß nicht, was als nächstes kommt. Der Bezieher wird jedes Mal überrascht werden, und das ist auch ein schöner, spannender Aspekt, solange man ein qualifiziertes Level hält. Als Konzept kommt es bei der Zielgruppe sehr gut an.

Lindhorst: Diese Reihe ist für uns das größte Experimentierfeld. Der Umfang ist etwa 60 Seiten; es gibt immer einen Text, es gibt bestimmte Vorgaben, doch alles andere ist völlig frei. Und manchmal gibt es einfach gute Arbeiten, die nicht in einem prätentiösen Buch erscheinen müssen. Wenn der Preis nicht so hoch ist, dann kann man das mal wagen. Ich würde mich auch da auf kein Genre festlegen wollen; gerade das Unterschiedliche ist das Schöne an diesem Medium.

Kruse: Es ist kein magazinartiges Projekt, sondern ein richtiges Hardcover. Auch hier gibt es nur ethische und moralische Schranken – ansonsten hat der Fotograf die Möglichkeit zu machen, was er möchte. Auf der anderen Seite verzichtet er hier jedoch auf ein Honorar, denn im Prinzip ist es ja Eigenwerbung für ihn. Für uns ist es die Intention, dank des internationalen Vertriebs über die Grenzen hinwegzugehen und etwas für die deutsche Fotografie zu tun. Viele Bestellungen kommen aus dem Ausland, den USA, vielleicht weil das Thema so plakativ ist.

Wie werden aufwendig produzierte Bildbände finanziert – bringen die Fotografen selbst Geld mit? Muss sich das allein aus dem Verkauf finanzieren, oder werden Fremdmittel irgendwelcher Art einbezogen?

Kruse: Unser Konzept, auf Fotografen zu setzen, die noch nicht so bekannt sind, heißt gleichermaßen, dass sie nicht gerade reich sind – und bedeutet, dass es bei uns kein Buch gibt, bei dem ein Fotograf irgendetwas bezahlt hat. Wenn allerdings jemand von sich aus sagen würde, er gäbe gern etwas dazu, würde ich das auch begrüßen. Gegen Sponsoring würde ich mich nicht wehren, wenn es z. B. von Museen kommt. Mit dem Kunstverein Ulm haben wir beispielsweise zusammen das Buch von Katharina Bosse gemacht. Auch da passt es wunderbar: Es gibt eine schöne Ausstellung, der Kunstverein hat einen tollen Katalog – nämlich eben keinen Katalog, sondern ein richtiges Buch, und wir haben eine Monografie.

Wie ist denn die Situation für einen Newcomer in der Welt der Fotobücher?

Lindhorst: Einen Fotobuchverlag zu machen ist wie im Haifischbecken zu leben. Es gibt etablierte Verlage, in denen nicht mehr ganz so junge Leute sitzen und furchtbar langweilige Arbeiten aussuchen – ich habe das Gefühl, dass man jetzt ganz gut in eine Lücke hineinpreschen kann, um neue Sachen zu publizieren, für die andere kein Verständnis haben. Vielleicht sind die Zeiten ungünstig – aber dennoch glaube ich, dass es funktionieren kann.

Kruse: Wenn ich ein schönes Buch sehe, freue ich mich darüber, und manchmal ärgert es mich, dass ich es nicht gemacht habe. Es ist schon dreimal vorgekommen, dass wir etwas abgelehnt haben, was dann bei sehr renommierten Verlagen untergekommen ist. Aber auch da würde ich mich nicht verbiegen, sondern freue mich für den Fotografen, weil er so einen tollen Verlag hat. Andersherum freue ich mich natürlich, wenn Fotografen mit mehreren Verlagen in Verhandlung stehen und dann sagen, komm, wir gehen zu Kruse, die sind klein, spontan, jung, flexibel, haben keinen Riesenapparat, aber eine gute internationale Distribution.

Lindhorst: Ärgerlich ist wirklich, wenn man an einem Fotografen dran ist, ihn berät, unterstützt und ein gemeinsames Projekt überlegt – und dann kommt so ein großer Verlag und schnappt einem den doch vor der Nase weg. Andererseits gibt es Projekte, die habe ich vor zwei Jahren gesehen, die sind durch unzählige Verlage gewandert, und plötzlich sieht man sie bei einem ganz großen renommierten Verlag.

Der Kruse Verlag setzt also auch in Zukunft auf künstlerische Fotografie, neue Namen, ungewöhnliche Formen …

Lindhorst: Ja, aber nicht alles ist dann auch wirklich machbar. Wo es z. B. schwierig wird, ist bei der Realisierung von Schwarzweiß-Reportagen, obwohl mein Herz sehr an diesem Genre hängt. Zu diesem Zeitpunkt in diesem Verlag hätte ich schon enorme Bedenken, mich schwerpunktmäßig auf solche Arbeiten zu konzentrieren. Wir hätten einen hehren Anspruch miterfüllt im Sinne einer »photographical correctness«, und es wäre auch das, was ich machen wollte – aber ich hätte Angst, dass das Buch letztlich als Remittende enden würde.

Kruse: Unser Presley ist der Schwarzweiß-Fotojournalist, Stephan Vanfleteren; ich kenne ein paar Projekte, an denen er arbeitet, und da würde ich mich schon trauen.

Lindhorst: Das ist aber eine andere Voraussetzung; mit einen Thema wie Elvis & Presley wird der Fotograf etabliert, und dann kann man natürlich überlegen, ob man mit ihm auch eine Schwarzweiß-Geschichte publiziert. Die Idee, als Ver­leger jemanden langsam aufzubauen, erscheint mir sehr reizvoll.

Kruse: Schwarzweiß-Fotografie wird es in diesem Jahr mindestens ein-, wenn nicht zweimal geben, weil sie einfach wundervoll ist. Ich möchte einerseits niemals, dass die Leute sagen, das ist ein klassischer Schwarzweiß-Verlag – ich möchte aber auch nicht, dass Schwarzweiß-Fotografen denken, ‚Ich habe ein Projekt, aber das ist nichts für Kruse, die machen nur Farbe‘. Es gibt bei uns einfach keine Schublade, in die wir uns stecken lassen wollen. Und wenn das irgendwann doch der Fall sein sollte, hoffe ich, dass es Leute gibt, die sagen, ‚Werdet mal wieder wach!‘.