Magazin #28

Ganske oder gar nicht

Editorial – Manfred Scharnberg

Thomas Ganske stellt sich gern als Bewahrer von Urheberrechten dar. Der Geschäftsführer der Ganske Verlagsgruppe reiht sich an vorderster Front ein in die Unterzeichnerliste des »Heidelberger Appells«. Darin heißt es: »Autoren und Verleger lehnen alle Versuche und Praktiken ab, das für Literatur, Kunst und Wissenschaft fundamentale Urheberrecht, das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre sowie die Presse- und Publikationsfreiheit zu untergraben.« Dabei schaufelt Thomas Ganske selbst mit, besser gesagt, sein Verlag steuert einen Bagger, der tiefe Gräben zwischen Fotografen und Redaktionen aufreißt.

Der zur Ganske-Gruppe gehörende Jahreszeiten Verlag greift mit seinen neuen Rahmenverträgen massiv in Fotografen-Rechte ein, von der umfassenden Verwertung der Bilder bis hin zum alleinigen Bestimmungsrecht über die Verwendung der Fotos (mehr zu dem Thema auf Seite 30).

Das Wort »Knebelvertrag« macht in der Presse die Runde. Denn die Auftragsvergabe macht der Verlag von der uneingeschränkten Akzeptanz seiner Bedingungen abhängig. Er lässt Fotojournalisten nur eine Wahl: Ganz oder gar nicht.

Im »Heidelberger Appell« wird – mit ausdrücklicher Unterstützung von Thomas Ganske – etwas ganz anderes gefordert: »Es muss auch künftig der Entscheidung von Schriftstellern, Künstlern und Wissenschaftlern, kurz: allen Kreativen überlassen bleiben, ob und wo ihre Werke veröffentlicht werden sollen. Jeder Zwang, jede Nötigung zur Publikation in einer bestimmten Form ist inakzeptabel…«

Hehre Vorsätze, die Ganske in seinem eigenen Haus geflissentlich ignoriert. Was ist wirklich gemeint, wenn Thomas Ganske sich für das Urheberrecht einsetzt – das Recht von Autoren? Und was steckt dahinter, wenn Springer-Chef Mathias Döpfner prophezeit: »Der Copypreis der Zukunft ist das Copyright«?

In der Realität haben wir ein Zwei-Klassen Urheberrecht: Das der Autoren und das der Medienunternehmen. Wenn Verleger Urheberrechte einfordern – zum Teil mit hohen anwaltlichen und lobbyistischem Aufwand – meinen sie immer nur die eigenen Interessen. Gab es einen Aufschrei, als ein Fotograf Google wegen der Abbildung seiner Bilder verklagte? Nein. Erst seit Google »ihre« Bücher einscannt, gehen auch Verlagsbosse auf die Barrikaden. Völlig richtig. Nur: Warum sitzen die Verleger erst jetzt mit den Autoren und Fotografen in einem Boot?

Naiv wäre es, wenn Urheber nun glaubten, dass die Herren, die neben ihnen rudern, immer die gleiche Richtung wie sie einschlagen wollten. Aber, auch wenn an Bord keine Verbrüderungsszenen zu erwarten sind, ist es schön, dass man sich wenigstens in diesem Fall über den Kurs einig ist.

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Manfred Scharnberg
Der Chefredakteur des FREELENS Magazins gehört zu den Gründungsmitgliedern des Fotografenverbandes.