Magazin #26

Jahrgang 2006

Das Studium ist abgeschlossen. Und danach? Viele Absolventen schaffen den Schritt in die professionelle Fotografie nicht. Nur gut die Hälfte des Abschlussjahrgangs 2006 der Fachhochschule in Bielefeld arbeitet noch an seiner fotografischen Laufbahn.

Text – Dirk Kirchberg
Fotos – Autorenporträts

Sepp Herberger sagte einst: »Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.« Herberger sprach von Fußball. Er hätte aber auch das Fotografiestudium meinen können. Denn auch hier passt dieser Satz, der den steten kreativen Kreislauf beschwört. Denn nur, weil man nach soundsovielen Seminaren und Semestern ein Diplom ausgehändigt bekommt, heißt das noch lange nicht, dass nun alles von selbst läuft. Oder man alles gelernt hat, was man zum überleben in der freien Wildbahn braucht. Ganz im Gegenteil. Eine völlig unrepräsentative Umfrage unter den Absolventen – von denen nur noch neun erreichbar waren – des Jahrgangs 2006 aus Bielefeld eröffnete interessante Einblicke in das Leben während und nach dem Studium.

Die meisten Studenten finanzierten sich ihr Studium mit Nebenjobs – von den üblichen Jobs in der Gastronomie über Assistenzen bis hin zur Fitnesstrainerin und zum Callcenter-Mitarbeiter – und dank der Hilfe ihrer Eltern. Auch wenn tatsächlich alle das Studium als lohnend beschreiben, fühlen sich doch fünf von neun nicht ausreichend auf den Berufsalltag als Fotografen vorbereitet.

Besonders Buchhaltung, Rechnungswesen und Steuern, kurzum Betriebswirtschaft, wurde im Studium nicht ausreichend oder überhaupt nicht vermittelt. Auch wurde bemängelt, dass den Studenten nicht näher gebracht wurde, wie eine erfolgreiche Selbstvermarktung funktioniert, und wie man seine eigene Position im Markt und gegenüber den Mitbewerbern bestimmt und einzuschätzen hat.

Fünf von neun Absolventen können heute von ihrer Fotografie leben. Die anderen vier assistieren und/oder brauchen Nebenjobs, um sich zu finanzieren. Und auch wenn die Einschätzungen, wie es mit der Fotografie in der Zukunft weitergehen wird – »noch schneller«, »noch schwieriger«, »geringere Honorare« – kein besonders rosiges Bild verheißen, so sind sich doch alle neun absolut sicher, dass Fotografie immer noch ihr Traumberuf ist.

Wie sehen die nächsten Ziele der Absolventen aus? Es sind Ausstellungen geplant, eigene Buchprojekte konzipiert, ein Master-Studium wird gerade abgeschlossen, Ausrüstung für kommende Aufträge modernisiert und aufgestockt.

Trotz der verschiedenen Situationen haben alle Absolventen ein gemeinsames Ziel: Fotografieren, fotografieren und nochmals fotografieren. In diesem Sinne: Nach dem Bild ist vor dem Bild.

 

LAURA HEGEWALD
Wie war der Übergang vom Studenten- zum Berufsleben?
In meinem Falle gut, Monsieur Zufall Hatte ein gutes Händchen.

Was sollte im Studium unbedingt behandelt werden?
Schwer zu sagen. Der Wert von Bildern?

 

MAXI UELLENDAHL
Fühlst Du Dich ausreichend auf den Berufsalltag vorbereitet?
Das Studium ist wie eine Seifenblase. Die richtigen Berufserfahrungen kommen erst danach.

Was sollte heute im Studium unbedingt behandelt werden?
Neben Marktforschung die Förderung eines Bewusstseins für die eigene Positionierung im Markt.

Was sind Deine nächsten Ziele?
Ein eigenes Buchprojekt.

 

ULRIKE WETZLAR
Was hat im Studium gefehlt?
Ich hätte gern mehr über Bildrechte und die Selbstständigkeit als Fotografin erfahren.

Wie war der Übergang vom Studenten- zum Berufsleben?
Zunächst bin ich in das berühmte schwarze Loch gefallen, doch dann habe ich mich selbstständig gemacht.

 

MIKULA LÜLLWITZ
Ist Fotograf immer noch Dein Traumjob?
Es ist schon noch mein Traumjob, weil ich mich nicht vorstellen kann, etwas anderes mit der gleichen intensiven Leidenschaft zu betreiben.

Wie wird sich die Fotografie wandeln?
Dadurch, dass heute jeder meint, gute Bilder selbst machen zu können, ist die Wertigkeit des Fotografen gesunken. Die Menschen sind nicht mehr bereit, für gute Fotos entsprechendes Geld zu zahlen, sondern nehmen lieber 08/15-Bilder.

 

PIA REGINA BRECHMANN
Kannst Du heute von Fotografie leben?
Ich habe vier Standbeine. Wie eine Kuh. Ich arbeite als Fotografin künstlerisch, werde von einer Galerie vertreten, ich mache Auftragsfotografie und digitale Bildbearbeitung als Dienstleistung.

Hat sich das Studium gelohnt?
Auf jeden Fall! Ich konnte dort meinen Weg finden. Man konnte seine Persönlichkeit als Fotografin, aber auch als Mensch weiter ausarbeiten.

 

MARC BECKMANN
Was sollte heute im Studium unbedingt behandelt werden?
Digitale Postproduktion für Bildjournalisten – also keine Strudelfilter!

Wie wird sich der Job des Fotografen in den nächsten Jahren verändern?
Wir werden noch weniger verdienen und noch mehr meckern und uns noch mehr dabei gefallen.

Die nächsten Ziele:
Miete zahlen.

 

ANDREA DIEFENBACH
Finanzierung des Studiums:
Durch Gespartes zuvor und durch Jobs, das Diplom dann durch ein DAAD-Stipendium sowie Abschlusskredite.

Der Übergang vom Studenten- zum Berufsleben:
Ich habe gleich nach der Diplomprüfung eine Mappenrunde gemacht, eigentlich ging es damit gleich los.

Die nächsten Ziele:
Endlich eine weitere eigene Geschichte fotografieren.

 

INDRA OHLEMUTZ
Finanzierung des Studiums:
Ich habe als Kurstrainerin in einem Fitnessstudio und als Kellnerin während meines gesamten Studiums gearbeitet.

Ausreichend auf den Berufsalltag vorbereitet?
Ich fühlte mich nach dem Diplom alles andere als für den Berufsalltag tauglich. Die angewandte Fotografie, auch das Drumherum einer Selbstständigkeit, bei Steuern angefangen, fehlten komplett.

Ist Fotografin immer noch Dein Traumjob?
Auf jeden Fall, auch wenn ich daran besonders nach meinem Diplom gezweifelt habe.

 

SARAH STRASSMANN
Ausreichend auf den Berufsalltag vorbereitet?
Nach dem Diplom nicht. Auch der Masterstudiengang hilft einem da nicht wirklich weiter, da es hier eher um eine künstlerische Weiterbildung geht. Durch Arbeit, jetzt neben dem Masterstudium, fühle ich mich nach bald zwei Jahren so langsam einigermaßen vorbereitet.

Was sollte heute im Studium unbedingt behandelt werden?
Technik, Technik, Technik. Sicher auch BWL und Kundenakquise, Medientheorie, Kunstgeschichte und gute Gestaltung.

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Dirk Kirchberg
arbeitet als freier Autor, Konzepter und Online-Redakteur in Hannover.