Magazin #26

Jenseits von Deutschland

Fotografieausbildung im Ausland? Da locken renommierte Institute. Zwei Beispiele aus den USA: das International Center of Photography und die Missouri School of Journalism.

Text – Christoph Bangert & Uwe H. Martin
Fotos – Thomas Sandberg/Ostkreuz, ICP & Uwe H. Martin

»I love this work! Good job Christoph!«, sagte die Lehrende mit leicht übertriebener Begeisterung in der Stimme. »Ich selbst fand meine gezeigten Arbeiten eher mittelmäßig und war an solche Worte des Lobes nicht gewohnt. Meine Mitstudenten äußerten sich dann auch sehr kritisch, so dass die Bildbesprechung am Ende doch noch hilfreich war.«

In den USA drückt sich Bildkritik ganz anders aus als in Deutschland. Während des sehr breit gefächerten Grundstudiums in Deutschland wurde Christoph Bangert schnell klar, dass er Fotojournalist werden wollte. Da er, der in Dortmund angebotenen Ausbildung nicht grundsätzlich, aber speziell im Bereich Fotojournalismus, sehr kritisch gegenüberstand, studierte er 2002 mit einem Auslandsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) am ICP in New York.

Das ICP ist eine einer Stiftung gleichen namens angeschlossene Fotografieschule und bietet neben zwei Master-Studiengängen (MFA) in Kooperation mit dem Bard College sowie der New York University, zwei unabhängige, einjährige Studiengänge an. Einen im Fach Fotojournalismus und Dokumentarfotografie und einen weiteren, »General Studies« genannten, der sich mit einer breiteren Ausbildung in den Bereichen Kunst-, Werbe-, Mode-, Dokumentar- und Porträtfotografie beschäftigt. Diese einjährigen Kurse beendet man mit einem Zertifikat, aber ohne Hochschulabschluss.

Ungefähr die Hälfte der Studierenden in den einjährigen Studiengängen sind Ausländer, wobei die meisten aus Europa und Asien kommen. In jedem Jahr studiert auch mindestens ein Deutscher am ICP.

Die technische Ausrüstung ist auf dem neuesten Stand, was sich leider auch in den sehr hohen Studiengebühren widerspiegelt. Das ICP ist international sehr angesehen. »Von meiner persönlichen Erfahrung her betrachtet, wird die Schule, wie viele bekannte Studieneinrichtungen, diesem guten Ruf leider nicht ganz gerecht.« Speziell ausländische Studenten haben oft zu hohe Erwartungen und sind dann über das tatsächliche Angebot und die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrenden enttäuscht.

Der New York-Faktor spielt natürlich eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung, am ICP zu studieren. Die Stadt ist unumstritten die Welthauptstadt der Fotografie und bietet neben zahllosen Galerien, Museen und Fotofachgeschäften auch einen riesigen Markt an Publikationen, Agenturen und Verlagen. Die New Yorker Fotografieszene ist einzigartig in der Welt und viele bekannte und unbekannte Fotojournalisten leben hier. Genau dies ermöglicht dem ICP auch große Namen des internationalen Fotojournalismus für Lehrtätigkeiten zu gewinnen, was z.B. deutschen Studienstandorten sehr schwer fällt.

Durch ihre Lage in der Provinz muss die Missouri School of Journalism, an der Uwe H. Martin 2004/5 mit Unterstützung eines Fulbright-Stipendiums studierte, andere Wege gehen, um für ihre Studenten attraktiv zu sein. Sie organisiert den wichtigsten journalistischen Fotografiewettbewerb in den USA, den »Picture of the Year International Award« und seine studentische Entsprechung, den »College Photographer of the Year Award«. Die Jurysitzungen sind öffentlich und die Diskussionen über die gefällten Entscheidungen sind in das Studienkonzept eingegliedert. Diese Wettbewerbe und der ebenfalls jährlich organisierte »Missouri Photo Workshop« unterstützen nicht nur den Ruf als eine der führenden Journalismusuniversitäten, sondern ermöglichen den Studenten Kontakte und Diskussionen mit angesehenen Profis des amerikanischen Journalismus.

Ein zentraler Punkt des Studiums an der 1908 gegründeten Missouri School of Journalism ist die Arbeit für die schuleigene Tageszeitung »Missourian«. Die Zeitung wird von Studenten geschrieben, fotografiert, editiert und layoutet. Nur die jeweiligen Ressortleiter sind in der Branche angesehene Profis, die die Studenten unterstützen und den theoretischen Unterricht in den Kursstunden leiten. Alle Studenten arbeiten ein Semester lang als Reporter, bevor sie als Fotograf und später als Bildredakteur für die Zeitung oder eines der beiden ebenfalls zur Schule gehörenden Magazine eingesetzt werden. Dadurch sind sie sehr gut auf die Tageszeitungsfotografie vorbereitet, die in den USA der normale Einstieg in den Beruf ist.

Dieses liegt an der anderen Struktur des amerikanischen Marktes. Fotoreportagen in Tageszeitungen haben oft die gleiche, in einigen Bereichen sogar eine höhere journalistische Qualität, als in vielen Magazinen. Die für ihre Fotografie prämierten Tageszeitungen fördern ihre Fotografen bei der Arbeit an eigenen Reportagen in ihrem Umfeld und veröffentlichen oft lange Fotostrecken. Viel mehr als in Deutschland findet eine den einzelnen Menschen beobachtende Fotografie Anerkennung und wird immer wieder ermutigt. In den USA arbeitet nach wie vor ein Großteil der Tageszeitungen mit fest angestellten Fotografen, während der Magazinmarkt, wie in Deutschland, von vielen Freiberuflern hart umkämpft ist.

Durch den Fokus auf den amerikanischen Zeitungsjournalismus ergibt sich an der Missouri School of Journalism ein Weniger an visuellem Diskurs. Dadurch entwickeln sich bei den meisten Studenten die eigene Handschrift und eine Spezialisierung, die für ein Bestehen als Freiberufler im Magazinmarkt Voraussetzung sind, später als in Deutschland. Dafür werden profunde journalistische Fertigkeiten wie Recherche, Interviewtechniken und die Entwicklung von Themen gefördert. So wird ein Foto ohne vollständige Bildunterschrift mit den Namen aller erkennbaren Personen weder in den Kursen noch bei der Zeitung akzeptiert.

Das Stellen von Fotos gilt bei Tageszeitungen als fristloser Kündigungsgrund. Deshalb gehört die Auseinandersetzung über journalistische Ethik zum Unialltag und wird von allen Studenten erwartet. Dabei fällt der Glaube an journalistische Objektivität und Wahrheit auf, der im amerikanischen Idealismus begründet liegt. In der medialen Realität wird das Streben nach Wahrheit jedoch häufig durch Balance und political correctness ersetzt. So werden zum Beispiel religiöse Weltanschauungen zum Thema Evolution als gleichberechtigte, wissenschaftlich fundierte Theorien dargestellt.

Das Studium erinnert eher an eine deutsche Schule als an eine Universität: Zu Beginn des Semesters wird ein genauer Plan mit Kurszielen, Anforderungen, Deadlines und Notenkriterien verteilt. So ist von Anfang an klar, was wann und wie erwartet wird. Die wöchentlichen Abgabetermine in Theorie- und Praxisseminaren führen zu einem deutlich höheren Arbeitsaufwand als in Deutschlad. Durch das permanente Arbeiten an kleinen Fotogeschichten und Texten, fotografieren viele Studenten hier täglich. Das Diskussionsniveau hängt, wie in Deutschland, stark vom jeweiligen Kurs ab.

Bei der Auswahl eines ausländischen Studienortes sollte man sich unbedingt erkundigen, wer an der betreffenden Einrichtung studiert, denn die Zusammensetzung der Mitstudenten ist oft von entscheidender Bedeutung. Viele Schulen bieten Kontaktadressen von ehemaligen Studenten an. Außerdem sollte man sich über den Standort der Schule oder Universität informieren. Liegt dieser in einem Sprach- und Kulturraum, der für mich interessant ist? Welche Schule bietet mir die beste Ergänzung zu bisherigen Erfahrungen, und welche speziellen Einsichten kann ich vielleicht nur dort erhalten?

Natürlich führen nicht alle Wege zum fotojournalistischen Glück über New York, Paris oder London. Wie im Studium zu Hause ist auch bei einem Auslandsstudium des Fotojournalismus die Einstellung und Eigenmotivation des Studierenden am wichtigsten. Wer aktiv ist, hart arbeitet und sich selbst motivieren kann, wird im Ausland genauso Erfolg haben wie zu Hause auch.

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Christoph Bangert
machte 2003 den Abschluss am ICP, arbeitet als freier Fotojournalist. Seine Irak-Fotos erhielten eine lobende Erwähnung beim World Press Award, ebenso das Buch Schweigendes Land.

Uwe H. Martin
nach der Missouri School studierte er an der FH Hannover. Seine freien fotojournalistischen Arbeiten sind auf vielen Ausstellungen zu sehen, mehrfach beim Fotofestival in Perpignan.