Magazin #21

Opulentes Portfolio einer Branche

Lange war es still gewesen um die British Press Photographers’ Association – jetzt meldet sie sich mit einer eindrucksvollen visuellen Bilanz aus 5000 Tagen Weltgeschehen zurück.

Text – Kay Dohnke

Aufstände und Demos, Naturkatastrophen und Unglücksfälle, Kriege, Staatsempfänge und gesellschaftliche Ereignisse: Die seit 1989 bei solchen Gelegenheiten entstandenen Bilder meint man schon gesehen zu haben – klar, es waren ja immer Fotografen dabei, ob bei den Umwälzungen in Osteuropa oder in Tschetschenien, an den vielen weiteren Kriegsschauplätzen oder den Regierungssitzen von London bis Washington.

Doch die in dem Band Five Thousand Days vorgelegten Fotos haben etwas besonderes an sich – zum einen stammen sie sämtlich von Mitgliedern der British Press Photographers’ Association (BPPA), und zum anderen spiegeln sie die nachrichtenhaltigen Ereignisse dieser Welt aus britischer Sicht. Ein Blick auf die jeweiligen Urheberhinweise lässt staunen: Noch immer haben viele Zeitungen und Magazine in England ihre eigenen Fotografen, während bei uns längst die von Agenturen gelieferten Fotos die Optik der Blätter dominieren. Und die britische Perspektive erklärt sich natürlich leicht aus der Herkunft der Fotografen und dem Publikationsort ihrer Bilder, doch scheint sie auch in Aufnahmen aus anderen Weltgegenden auf, verrät sich in dem Gespür für skurrile Situationen und Momente.  In allen Rubriken des Bandes – Hard News, Daily Life, Arts & Entertainment, Sports bzw. Inside Pages mit Bildern aus Sozialreportagen – finden sich herausragende Beispiele professionellen Könnens.

Von Schwarzweiß zu Farbe, von analog zu digital: Five Thousand Days dokumentiert nicht nur die thematische Breite und professionelle Qualität der britischen Pressefotografie, sondern bringt auch die wichtigsten und bewegendsten Ereignisse der letzten 5000 Tage noch einmal in Erinnerung – vom Ende der Diktaturen in Osteuropa bis zu Bildern aus den Krisengebieten des Frühjahrs 2004. Oft überraschen die Aufnahmen durch ihre große Sensibilität und die Kreativität, mit der ein Thema bildnerisch umgesetzt wird – der Niedergang der britischen Textilindustrie wird in einem Foto symbolisiert, das eine längst stehengebliebene Werksuhr und die hellen Umrisse der ehemaligen Maschinenstandorte zeigt; statt die Todesopfer des Tschetschenienkonflikts zu zeigen, wird am Ort eines Angriffs blutiger Schnee zum bewegenden Motiv.

Der Band ist aber auch ein Statement: Mit ihm macht die BPPA nach längerer Passivität wieder auf sich aufmerksam und lässt Revue passieren, worüber die Kolleginnen und Kollegen jeweils aktuell berichtet haben. Jedes Mitglied war eingeladen, 25 Fotos einzusenden – die es in den Band geschafft haben, sind nicht notwendigerweise auf Titelseiten erschienen, sondern stammen auch aus längeren Bildstrecken oder waren teils sogar bislang unpubliziert. Insgesamt wird anschaulich, dass es neben dem Fernsehen nach wie vor ein starkes visuelles Medium gibt, das eine breite Öffentlichkeit erreicht und seine Wirkung entfaltet.

In seinem Vorwort spekuliert Harold Evans – ehemaliger Chefredakteur von Sunday Times und der Times – über einen möglichen Paradigmenwechsel bei den Zeitungen: Die Bildredakteure seien oft selbst aktive Fotografen gewesen und billigten dem Pressebild daher einen anderen Wert zu. »Vielleicht beginnen die Zeitungen die Pressefotografen wieder zu schätzen«, äußert auch BPPA-Sekretär Tim Bishop – man möchte den Kollegen wünschen, dass er mit dieser Vermutung Recht behält.

Five Thousand Day. Press Photography in a Changing World.
London: David & Charles Ltd. 2005.
320 Seiten mit 370 Fotos.
28 – 25 cm.
29,99 Pfund.
www.fivethousanddays.com