Magazin #32

Vom Stamm Nimmersatt

Editorial – Manfred Scharnberg

Alle haben die Urheber lieb: Die sogenannte Netzgemeinde, die Politiker und die Verlagsmanager. Sie wollen nur unser Bestes wenn man ihren Beteuerungen glauben schenkt. »Auch ich kenne die Nöte von Kulturschaffenden«, beteuert Jens Seipenbusch, Informatiker und Mitglied der Piraten-Partei. Komisch nur, was seine Gruppierung unter »Freiheit im Netz« versteht: Die Enteignung des geistigen Eigentums eben jener Kulturschaffenden.

»Es geht beim Urheberrecht in erster Linie um den Kreativen. Ihn dürfen wir nicht abspalten von seinem Werk, sein Werk dürfen wir nicht anonymisieren und auch nicht kollektivieren. All dies wäre ein fataler Irrweg«, sagte Justizminsterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Verlegerverbände argumentieren, dass durch das von ihnen geforderte Leistungsschutzrecht »das Recht der Autoren auf Zweitverwertung ihrer Beiträge unberührt bleibt.« Dabei vergaßen sie zu erwähnen, dass den Urhebern keine Zweitverwertungsrechte mehr bleiben, wenn die Verlage sie ihnen per Buy-Out-Vertrag abgetrutzt haben.

Immer wenn Kreative symbolisch umarmt werden, haben sie das Gefühl, auf den Arm genommen zu werden. Die Debatte um das angeblich so arg überholungsbedürftige Urheberrecht ist scheinheilig. Statt einer gerechten Reform wollen es Netz-Nerds und Verlagsmanager demontieren. Die Wertschätzung kreativer Leistungen ist offenbar abhanden gekommen.

»Jene vom Stamme Nimm« nannte Geo-Chefredakteur Peter Matthias Gaede Interessengruppen, die Ideenklau als Gewohnheitsrecht ansehen. Es gibt aber auch jene vom Stamme Nimmersatt. Sogar Verlage mit Rekordergebnissen und Zuwachsraten pressen ihre Fotografen und Autoren zu lächerlichen Honorarkonditionen in abenteuerliche Arbeitsbedingungen. Der von ihnen so viel beschworene Qualitätsjournalismus ist oft nur noch ein Popanz. So haben die Verlage ihre einstige Vorreiterrolle für die Präsentation guter Fotografie längst verloren. Die Trends setzen Festivals, Ausstellungen und Bücher. In einigen Medienhäusern ist es inzwischen Alltag, dass Bildredakteure bei Auftragsvergabe nur noch den Namen des zu Porträtierenden nennen können. In welchem inhaltlichen Zusammenhang zum Heft das Porträt steht, wissen sie schon nicht mehr.

Es wird geknausert, um jeden Honorar-Cent gedealt. Bereits vergebene Fotoaufträge nimmt man gern mal zurück, da die Bildredaktion stattdessen noch ein kostenloses PR-Foto gefunden hat. Verlage geizen um jeden Reisekilometer. Selbst mit Auszeichnungen dekorierte Fotografen glauben, dass sie immer seltener wegen ihrer Bildsprache eingesetzt werden, aber desto öfter, weil sie in der Nähe der gerade gefragten Foto-Location wohnen. »Ich komme mir bald vor wie der Fotoautomat um die Ecke«, sagt einer von Ihnen.