Magazin #23

Wer verkauft seine Rechte?

Es gibt kein Zurück in die Zeit vor Royalty free: Sämtliche Nutzungsrechte mitzukaufen, wird immer mehr nachgefragt. Den Agenturen ist es recht – aber was ist mit den Fotografen?

Text – Maria Jansen

»Getty kauft Digital Vision.« »Corbis kauft Image 100.« »Jupiter Images kauft Goodshoot.« Die Nachrichten über die Konzentration des Royalty-free-Marktes scheinen sich derzeit zu überschlagen.

»Es ist schon lange nicht mehr die Frage nach gut oder schlecht«, fasst Klaus Plaumann von Picture Press diese Entwicklung zusammen: »Royalty free ist eine Tatsache.« Und fast leidenschaftlich warnt das BVPA-Vorstandsmitglied die Agenturszene: »Die Preise für Royalty free steigen ständig weiter, aber immer noch streiten sich die Glaubenskrieger der Branche über das einzig wahre, gute und schöne Rights-managed-Foto – und schauen der Wahrheit nicht ins Auge.« Denn nicht nur in den USA und in England erobern Branchen-Neulinge den lukrativen Sektor, auch im deutschen Royalty-free-Markt tummeln sich Quereinsteiger. Der RF-Produzent Gerald Staufer etwa hatte eine Werbeagentur, bevor er vor zwei Jahren mit einer Bildhauerin und einem Organisationsberater in Fürstenfeldbruck die Fotoagentur Westend61 gründete.

»Royalty free oder Rights managed – das ist heute keine Qualitäts-, sondern eine Strategiefrage«, erzählt Staufer vom Tagesgeschäft. »Es gibt Bereiche, etwa die Reisefotografie, da wird Royalty free sich nicht durchsetzen. Aber meistens ist es eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, was mehr einbringen wird – die Einzellizenzen oder Royalty free.« Und manchmal wären es auch die Fotografen, die beim Rights Management bleiben wollten. Obwohl da viel Bewegung reingekommen wäre, seit November 2004, seit Westend61 ernsthaft am Markt ist. »Damals haben noch fast alle Fotografen gemeint, Royalty free sei billig, billig.«

Das anfängliche Verhältnis von 70:30 habe sich seither zugunsten der Royalty-free-Bilder fast umgekehrt. Rund 10.000 RF-Motive hat er im Angebot – gegenüber 6.000 RM-Motiven. Beim Umsatz läge RF mit 70 bis 80 Prozent noch darüber. »Wir konnten inzwischen mehr Fotografen davon überzeugen, dass es ein gutes Geschäft ist, wenn ein RF-Bild 20-mal über die Ladentheke geht«, meint Staufer.

Doch dieses Argument könnte den Fotografen, die ihn beliefern, eigentlich egal sein. Denn honoriert wird pauschal – mit Tagessätzen zwischen 800 und 2.000 Euro, die Fotografen treten dafür alle Rechte an die Agentur ab. »Mit dem Vorteil, dass sie ihr Honorar sofort bekommen und kein Risiko eingehen«, versucht Staufer die Sache schmackhaft zu machen.

Bei der Kontaktaufnahme zu seinen Fotografen jedoch möchte der Agenturchef nicht helfen: Einer von ihnen arbeite unter Pseudonym; bei einem anderen wisse er nicht einzuschätzen, was dieser so ausplaudern würde. Und Westend61 arbeite auch mit Amateuren…

Ob die Profifotografen sich durch Royalty free nicht mittelfristig ihr eigenes Geschäft abgraben? »Es wird viele geben, die sich keine goldene Nase verdienen«, meint Staufer: »Im Royalty-free-Markt setzen sich nur die Besten durch. Diese Bilder werden von den Kunden dann auch anständig bezahlt.« Um fast 40 Prozent hätte beispielsweise Image Source im Laufe des vergangen Jahres die Preise angehoben – von 349 Euro für ein Bild in A-3-Auflösung auf 479 Euro. Einzelbilder aus der »Fancy Photography«-Kollektion von Veer kosten zwischen 149 Dollar für die Low-Res bis zu 439 Dollar für die Super High Resolution.

»Royalty free hat Bilder zur Massenware gemacht«, bringt Klaus Plaumann die Entwicklung auf den Punkt. »Das Vertriebsprinzip ist das von Supermärkten. Die Produzenten und Agenturen verteilen ihr Warenangebot an jeden, der es haben will, und haben vielleicht auch noch eigene Shops. So erreichen sie möglichst viele Käufer.« Die physischen CDs werden dabei zunehmend durch Online-Angebote abgelöst, bei denen die Nutzungsrechte wahlweise für alle Motive einer virtuellen Themen-CD, immer öfter aber auch für Einzelbilder eingekauft werden können. Auf 75 Prozent vom Stockmarkt schätzt Getty-CEO Jonathan Klein das RF-Potenzial.

Klaus Plaumann sieht ein Marktvolumen zwischen 40 und 50 Prozent. Die Käuferpotenziale werden vor allem in der Werbebranche ausgemacht, wo Bilder mehrfach genutzt werden und Kunden ein Motiv ohne Verwaltungsaufwand jederzeit wieder verwenden wollen.

Anders im Editorial-Bereich: Dort spielt Royalty free »so gut wie keine Rolle«, meint Ali Paczensky von fotofinder.net übereinstimmend mit anderen Branchenbeobachtern: »Das mag auch eine psychologische Barriere sein, denn Royalty free widerspricht in gewisser Weise dem Editorial-Gedanken. Man will sich ja nicht ständig wiederholen.«

Weil die Fotos im RF-Bereich inzwischen aber oft besser wären als viele Rights-managed-Motive, wollte er der Marktkonzentration aus den USA nicht länger tatenlos zusehen: Seit Ende 2005 sind über 50.000 RF-Motive von Photo Alto aus Paris über fotofinder.net buchbar, zwei weitere Stock-Agenturen werden bald folgen. Für Kunden aus dem Editorial-Bereich werden die Motive nach den oftmals günstigeren MFM-Konditionen berechnet, für den Kreativmarkt stehen sie Royalty free im Angebot. »In gewisser Weise holen wir den Royalty-free-Markt so ins Rights Management zurück«, schmunzelt Paczensky. Auch wenn er nicht grundsätzlich gegen Royalty free eingestellt ist, findet er es »schon richtig, Nutzern, die ein Bild mehrfach verwenden wollen, zumindest beim Verwaltungsaufwand entgegenzukommen«. Und der ehemalige Fotojournalist prognostiziert: »Da wird in den nächsten Jahren auch im Editorial-Bereich noch das eine oder andere Geschäftsmodell versucht werden.«

Seine natürliche Grenze hat Royalty free immer da, wo Wert auf Exklusivität gelegt wird. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass zwei Kunden sich aus dem unüberschaubaren Angebot von mehreren Millionen Royalty-free-Bildern ausgerechnet auf ein und dasselbe Foto stürzen. Aber die Wirklichkeit hatte die Wahrscheinlichkeit schon Anfang 2003 eingeholt, als ein blondes Model in einer Kampagne für die New Yorker Linux-Fachmesse der Computerwelt zulächelte – und zeitgleich auch für Microsoft Visual Studios in amerikanischen Hochglanzmagazinen, Broschüren und im Internet warb.

Ähnliches gilt auch für Kundenmagazine, obwohl die für eine Royalty-free-Nutzung geradezu prädestiniert zu sein scheinen, bedienen sie in der Regel doch ein enges Themensegment und greifen häufig auf Symbolbilder zurück. Aber auch Corporate-Medien kehren dem RF-Markt schnell den Rücken, wenn ein wachsender Konkurrenzdruck das auftraggebende Unternehmen zwingt, sein Firmenprofil mit einer unverwechselbaren Kommunikation zu verstärken. So geschehen bei den Krankenkassenmagazinen fit (DAK) und gesund (Hamburg Münchner). »Das RF-Material war eine Zeit lang gut, um Themen zu illustrieren«, berichtet Joachim Bokeloh, der Chefredakteur dieser beiden Magazine. »Im Zuge der Neupositionierung der DAK unter dem Slogan ,Unternehmen Leben‘ passte die Bildsprache aber nicht mehr.« Nun werden wieder Fotoaufträge vergeben und mehr Bildlizenzen eingekauft.

Grund zum Aufatmen gibt es für gestresste Fotografen, die zusehen müssen, wie ihre Märkte schrumpfen, trotzdem nicht. Längst haben die RF-Anbieter ihre Aktivitäten auf den Abo-Markt ausgeweitet. Die zur Jupitermedia gehörende Clipart.com beispielsweise bietet ein Jahresabonnement für 129,95 Dollar an und gewährt dafür die Zugriffs- und Nutzungsberechtigung für rund sechs Millionen Clip-Arts, Fonts und 130.000 Fotos. Das Jahresabo bei photos.com für die Nutzung des lizenzfreien Archivs mit 150.000 Motiven kostet 329,95 Euro. Und Getty bietet via Creative Express rund 80.000 Motive von PhotoDisc Green, PhotoDisc Blue und Digital Vision zum Abopreis von 499 Dollar – im Monat.

Und was sagen die Fotografen selbst? Viele möchten sich nur anonym äußern, weil sie befürchten, es könne schlecht für ihr Renommée sein. »Royalty free ist für mich die dritte Wahl nach Galerie-Bildern und Rights-managed-Motiven«, sagt einer, der ahnt, dass seine RF-Agenturen das gewiss nicht gern von ihm hören würden. Zumal sie mit seinen Bildern zufrieden zu sein scheinen. »Gute Fotografen, die ein bisschen Achtung vor sich selbst haben, geben den Rights-managed-Bereich niemals auf«, ist er überzeugt und sieht gute Chancen für Fotografen, durch nutzerfreundliche RM-Plattformen im Internet die Bilder auch künftig ohne aufgeblähten Agenturapparat an den Nutzer zu bringen. Aber er würde jedem dazu raten, »auch ein Royalty-free-Standbein zu haben – wie ein Investment-Banker, der im Sinne der Risikostreuung auch in verschiedene Segmente investiert«.

In einem anderen Fall führten der plötzliche Konkurs mehrerer Kunden und ein Angebot aus England einen Fotografen zum Einstieg in den RF-Markt. »Die Tagessätze klingen erst mal nicht schlecht«, lautet sein heutiger Kommentar. »Aber wenn man dann merkt, dass an einem Produktionstag mindestens 15 gute Bilder rauskommen und die Agentur dann drei, vier Jahre lang damit ein gutes Geschäft macht, ärgert man sich schon.« Auch wenn RM-Bilder weniger oft gedruckt würden, wäre mehr Abstinenz nicht unbedingt von Nachteil für den Urheber, denn mit Einzellizensierung lassen sich ähnlich hohe Einnahmen erzielen. Zumal die Fotografen sich im RF-Bereich wohl oft mit Umsatzanteilen zwischen 15 und 25 Prozent zufrieden geben müssen.

Vor allem junge Kollegen, die den Markt noch nicht so gut kennen, will der Fotograf ermuntern, lieber längeren Atem zu haben und zur eigenen Qualität zu stehen, statt ihre Bilder zu verschleudern. »Sonst lebt man ewig von der Hand in den Mund.« Der Vorteil, wenn man sich mit hochwertiger Fotografie aus dem RF-Markt fernhält, sei unschätzbar: »Die Bilder bleiben exklusiver.«

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Maria Jansen
ist freie Journalistin und PR-Beraterin in Hamburg