Magazin #05

Anonyme Verführer

Über den beiläufigen Umgang mit der Fotografennennung

Text – Karl Johaentges

»Die Welt mit anderen Augen sehen« – so feiert das Jubiläums-GEO den 20. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Ob die 34 Jubiläums-Seiten des Magazins halten, was der Titel verspricht, ist natürlich Geschmacksfrage. Fest steht: 20 außergewöhnliche Fotografien präsentieren ein weitgefächertes Weltbild zweier Jahrzehnte. Daneben sinnreiche Zitate – mit Hin- und Nachweis, wer sie erdacht hat. Die »Augen der Welt« jedoch, die Fotografen, sind auf den Jubiläumsseiten glatt vergessen worden. Wer wissen will, mit wessen Auge er die Welt sieht, muß mühselig auf Seite 260 im 8-Punkt-Kleinstgedruckten recherchieren.

Den GEO-Machern vorzuwerfen, sie würden die Rolle der Fotografen nicht sehen, wäre verfehlt. Aber dieser »kleine« Ausrutscher ist nur ein Beispiel für derartige Praktiken. Und meist sind es nicht mal Ausrutscher.

»Redakteurin XYZ reiste für Sie nach ZYX«, wird stolz und fett auf der Aufmacher-Doppelseite verkündet, gleich unter der Headline. Daß vielleicht auch eine Fotografin mit dabei war, daß gerade sie die »anmachenden« Aufmacher und die Optik für die Reportage lieferte – das erfährt der Leser nur im Kleingedruckten. Beim »Bild der Woche« in »Die Woche« bleibt der Fotograf gar anonym. Warum zum Teufel? Selbst der Jahrzehnte lang störrische SPIEGEL hat die einst praktizierte »Dunkelhaft« seiner Kreativen längst überwunden, druckt jetzt den Fotografennachweis direkt am Bild.

Ähnliche Verhaltensmuster zeigen sich bei Bildbänden. Der Jubiläumsband »20 Jahre GEO« ist auch hier führend in Sachen Ignoranz. Auf fast 300 Seiten werden mit spektakulären, wirklich aufregenden und unter die Haut gehenden Bildern 20 Jahre Magazin-Geschichte vorgestellt. Neben jedem Foto erläutern ein paar Zeilen das Bild und die Quelle. Nein, nicht etwa den Fotografen, sondern nur das jeweilige GEO-Heft, in dem das Bild einmal abgedruckt war. Die Fotografen werden verschwiegen. Nur im Impressum auf Seite 284 werden sie in unerklärlicher Unordnung und kaum lesbarer 7-Punkt-Schrift in enge Spalten gepreßt. Aufgelistet. Reine Pflichtübung um 100 Prozent Honoraraufschlag zu vermeiden. Im gleichen Band wird die Autorin der wenigen Textseiten unmittelbar neben der Überschrift vorgestellt.

Nachdem heute nur noch altbackene Verlage wie der Bruckmann-Verlag bei Bildbänden den Textautoren dem Bildautoren voranstellen, ist dieser »Faux pas« der GEO-Macher umso verwunderlicher. Der Jubiläumsband wirbt doch gerade mit der Fotografie um seine Käufer. Und ein Bildband ist eben in erster Linie ein Bilderband: Er lebt von der Optik, von der Handschrift der Fotografen. Oder? Ich jedenfalls kaufe mir einen Bildband in der Regel zuallererst wegen de Bilder und nicht wegen der Worte.

Lesen ist out, jammern die Verleger und Chefredakteure. Schuld ist die Glotze, das ist bekannt. Die Optik – ob in der Werbung oder als Aufmacher – ist gefragter denn je. Fotos müssen her! Aber warum bleiben ihre Schöpfer meist in der zweiten Reihe? Sie drücken sich fast anonym als kaum 8-Punkt große Zeile im Randbereich oder auf Seite 144 rechts unten herum – gleich neben dem Leim, den Stahlklammern, die das Heft zusammenhalten.

Eine sichere Antwort auf die Frage, warum wir Bildautoren so häufig in der zweiten Reihe sitzen, weiß ich nicht. Ich bin auch als Buchverleger zu sehr Fotograf geblieben, um diese Rolle zu verstehen. Vermutlich liegt es einfach daran, daß die Blattmacher von Magazinen und die Lektoren der Bildbandverlage vor allem Wortmenschen sind. Die Wortschöpfer denken einfach ego und natürlich zuerst an ihre Zunft. Sie begreifen sich als Denker, die Fotografen sind nur Zulieferer, Illustratoren. Auch wenn sie es nicht laut sagen: Das Wort, ihr Medium, steht im Mittelpunkt, das Bild ist nur das Appetithäppchen für die geadelten Buchstaben, auch wenn die Leser das oft völlig anders sehen.

»Aber … «, werden jetzt einige zu bedenken geben, » … die Bilder müssen sich dem Text unterordnen, weil der ja von einem Autoren geschrieben ist, während die Bilder zum Thema häufig von verschiedenen Fotografen geliefert werden«. Wirklich? Manchmal frage ich mich beim Lesen einer Bleiwüste, ob man nicht besser Texte verschiedener Schreiber gemischt hätte.

Müssen wir uns die Arroganz des Wortes gefallen lassen? Wollen wir Bildermenschen nur Verführer zum Lesen bleiben? Nur Illustratoren des Wortes, Labsal in der Buchstabenwüste? Nur Appetitanreger oder anonyme Verführer? Wie lange müssen wir denn nerven, bis sie es begreifen? Das Prinzip Hoffnung hilft nicht weiter: Die Autoren-Nennung muß Teil der Honorarforderung werden.