Magazin #01

»Die Fotoszene muß sich entscheiden«

Medien wie CD-Rom, Online-Dienste, Video-on-demand (Fernsehen auf Bestellung) und digitales Fernsehen verlangen viele Fotos – das ist gut für uns. Gleichzeitig verlangen die Produzenten leichten Zugang auf unser Material. Seit geraumer Zeit kreist die Diskussion um einige zentrale Fragen: Wie können wir die Verbreitung unserer Fotos kontrollieren? Welche Mechanismen müßten geschaffen werden, damit das Urheberrecht nicht auf der digitalen Datenautobahn verunglückt? Soll die kollektive Wahrnehmung der Zweitverwertungsrechte durch die VG Bild-Kunst ausgeweitet werden? Gerhard Pfennig (VG Bild-Kunst) und Bernd Weise (BVPA) antworten.

Interview – Lutz Fischmann

FreeLens: Herr Pfennig, will die Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst die Nummer eins unter den Bildagenturen werden?

Pfennig: Nein. Die VG Bild-Kunst will überhaupt keine Bildagentur werden. Die VG Bild-Kunst stellt Bildagenturen und ihre Aufgaben nicht in Frage.

Durch die Fotografenszene geistert der Begriff der Bilder-Gema, der ausdrücken soll, daß alle Urheberrechte, wie in der Musikbranche, von einer zentralen Stelle wahrgenommen werden.

Pfennig: Falsch: Die VG Bild-Kunst kann sich eben nicht mit einem Federstrich die Rechte besorgen, die die Rechteinhaber ihr nicht geben wollen.

Von Seiten der Gesetzgeber liest sich das anders. Die Justizministerin sagt, daß »nicht zuletzt nur der Ausbau der zentralen Wahrnehmung von Rechten durch Verwertungsgesellschaften im Bildbereich langfristig die Gewähr dafür bieten kann, daß dem Partizipationsinteresse des Urhebers auch künftig Rechnung getragen wird, da wohl nur die Verwertungsgesellschaft auch über die erforderlichen Kontrollinstrumente verfügt«.

Pfennig: Wir müssen unterscheiden zwischen den Plänen von den Gesetzgebern, der Industrie und den Urhebern. Die radikalste Lösung, die von den Nutzern vorgeschlagen wird, ist eine Zwangslizensierung.

Da wären wir wieder bei der Bilder-Gema.

Pfennig: Noch nicht einmal dies. Die Verwerter würden das Bildmaterial nutzen und erst anschließend über die Vergütung verhandeln. Dieser Weg würde die Urheber in eine schwierige Position bringen. Das Justizminsterium hält weitgehend die bestehende Gesetzeslage für ausreichend, auch zur Behandlung der Multimediazusammenhänge. Es gibt ein neues Gesetz zum Vermietrecht, in dem – gegen den Willen der Industrie und des Wirtschaftsministeriums – der bisherige Vergütungsanspruch der Urheber, wahrgenommen durch die Verwertungsgesellschaften, bestehen bleibt. Der Vergütungsanspruch aus Lesezirkelabgaben, Bibliothekstantiemen etc., kann nur auf die VG Bild-Kunst übertragen werden und nicht mit sogenannten Buy-out-Verträgen an einen Verlag gehen. Das schützt den Urheber davor, in einen solchen Vertrag gezwungen zu werden.

Es gibt Verlage, die sich diese Verwertungsrechte schon im vorhinein vom Fotografen übertragen lassen.

Pfennig: Diese Verträge sind unwirksam. Wenn der Fotograf das Vermietrecht an die VG Bild-Kunst übertragen hat, kann kein Verlag diese Vergütung für sich reklamieren.

Herr Weise, mit welchen Kontrollmechanismen können die Ihrem Verband angeschlossenen Agenturen aufwarten, um eine wirksame Kontrolle der Verbreitung ihres Fotomaterials zu gewährleisten?

Weise: Bislang werden die Fotos noch von den Nutzern angefordert und dies ermöglicht uns individuelle Honorarverhandlungen und Vereinbarungen über die Nutzung. Wenn jetzt auf internationaler Ebene Forderungen gestellt werden, das Urheberrecht soweit zurückzudrücken, daß es das Handeln mit Medien in Europa nicht behindert, wird es für uns schwierig. Trotz individueller Nutzungsverträge mit Verwertern hat es einen gewissen Prozentsatz von unbefugten Nutzungen in der Vergangenheit gegeben und wird es auch weiterhin geben. Dies zu kontrollieren, ist äußerst schwierig. Auch die VG Bild-Kunst steht, wenn sie denn weitere Fotorechte wahrnehmen will, vor diesem Problem. Heute nimmt sie ja nur sehr wenige Urheberrechte an Fotografien wahr. So dürfen Fernsehanstalten Fotos aus Büchern abfilmen und in Fernsehsendungen einbauen. Es hat sich jedoch gezeigt, daß die Fernsehanstalten diese Nutzungen gegenüber der VG Bild-Kunst nicht korrekt angeben.

Pfennig: Die VG Bild-Kunst kann erst dann mehr Rechte wahrnehmen, wenn ihr diese von den Fotografen übertragen werden. Die Kontrolle ist also die zentrale Frage. Wenn die Fotografen schon nicht feststellen können, wo ihre Fotos veröffentlicht werden, wie soll das dann die VG Bild-Kunst überprüfen?

Weise: Noch ist es offenbar so, daß die Fernsehanstalten melden, welche Fotos sie aus welchen Büchern entnehmen. Das Beispiel bildende Kunst hat aber gezeigt, daß es die Fernsehanstalten aufgegeben haben, diese Nutzungen einzeln zu registrieren. Es könnte ja auch sein, daß sie das auch im Bereich der Fotografie nicht mehr wollen.

Pfennig: Bis jetzt besteht nur ein Sendevertrag Foto mit dem ZDF und SAT 1. Für jedes genutzte Foto ist eine individuelle Meldung an die VG Bild-Kunst erforderlich. Wenn uns der Fotograf und die Bildquelle, also das Buch, aus dem das Foto stammt, genannt werden, ist eine individuelle Zuordnung kein Problem. Anschließend werden diese Nutzungen mit den einzelnen Fotografen abgerechnet. Wenn einem genutzten Bild kein Autor zugeordnet werden kann, verteilen wir die Gelder analog zu den uns vorliegenden Meldungen unserer Mitglieder über Veröffentlichungen von Fotos in Büchern. Ein Fotograf, der pro Jahr 100 Fotos in Büchern veröffentlicht hat, bekommt eine höhere Ausschüttung als jener, der nur ein Foto pro Jahr veröffentlicht hat. Wenn für die Photoszene die Art der Verteilung unbefriedigend ist, können durch einen Beschluß der Mitgliederversammlung die Verträge mit den Fernsehanstalten gekündigt werden. Dann muß sich wieder jeder Fotograf selbst um seine Rechte kümmern.

Weise: Unsere Einwände gehen mehr dahin, daß hier eine Beschneidung in die individuell vergebenen Nutzungsrechte stattfindet und in Zukunft Verlage Bildmaterial aus vorhandenen Veröffentlichungen herausnehmen. Und dies wird um so wahrscheinlicher, je größer der Fundus an Fotos ist, der digital zur Verfügung steht. Selbst wenn die Abgeltung der Nutzung über die VG Bild-Kunst geschieht, kann sie die Urheberpersönlichkeitsrechte nicht wahrnehmen. Nur ein Fotograf selbst oder seine Agentur kann darüber entscheiden, in welchem Zusammenhang sein Foto verwendet werden darf. Dies gilt auch besonders für die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen.

Pfennig: Wie gesagt: VG Bild-Kunst ist keine Ersatzagentur und will auch keine werden. Die Rechtslage ist klar: Wenn ein Fernsehsender ein Foto senden will, muß er vor der Verwendung die Senderechte beim Fotografen einholen. Dann liegt die Entscheidung beim Fotografen. Das Problem bei diesem Vorgang ist höchstens, daß die Fernsehsender dies nicht tun. In diesem Verfahren kann die VG Bild-Kunst gar keine Alternative bieten. Die VG Bild-Kunst ist eine Verwertungsgesellschaft und kann nur die Rechte wahrnehmen, die ihr übertragen wurden oder wo eine individuelle Rechtewahrnehmung nicht möglich ist, wie beim Fotokopieren. Was wir hier diskutieren, ist, ob es in diesem Bereich der ständig wachsenden Zahl von Nutzern einen Handlungsbedarf hinsichtlich der Wahrnehmung der Rechte gibt. Solange die Fotografen sagen, es ist alles in Ordnung und unsere Rechte werden gewahrt, brauchen wir über das Thema nicht zu sprechen. Wir sitzen aber hier, weil es nicht so ist. Es ist aber nicht Aufgabe der VG Bild-Kunst, zu diesem Bereich Vorschläge zu machen, solange sich die Fotografen nicht selbst über ihre Vorgehensweise im klaren sind. Die Diskussion über die zukünftige Wahrnehmung der Rechte wird in der Szene nicht geführt.

Weise: Ich unterstelle der VG Bild-Kunst nicht, daß sie die Rechte von Fotografen einfordert. Nur sitzen in der Berufsgruppe II der VG Bild-Kunst verschiedene Urheber, nämlich Bildjournalisten, Fotodesigner, Bildagenturen etc. Da gibt es, was die zukünftige Politik der VG Bild-Kunst betrifft, unterschiedliche Interessenlagen. Angestellte Fotografen betrachten die jährliche Ausschüttung der VG Bild-Kunst als Weihnachtsgeld, wohingegen freie Fotografen auch auf eine möglichst effektive Zweitverwertung ihres exklusiven Materials angewiesen sind.

Pfennig: Die VG Bild-Kunst ist in einer schwierigen Situation. Dieser Kreis der Fotografen, die über Exklusivität arbeiten, ist uns wohl bekannt. Nur werden gerade von diesen Fotografen bevorzugt Fotos ohne Absprache verwendet. Zu uns kam zum Beispiel Jupp Darchinger und sagte, daß zwei Drittel seiner Fotos nicht honoriert werden und er mit uns einen Wahrnehmungsvertrag abschließen möchte. Andererseits sagt der BFF (Bund Freischaffender Foto-Designer), seine Mitglieder hätten alles unter Kontrolle. Wie sollen wir uns da verhalten?

Sehen Sie nicht auch eine Gefahr, daß sich der Mißbrauch allein auf Grund der größeren Verbreitung unserer Fotos ausweitet?

Weise: Bis jetzt kenne ich keine konkrete Zahl, wie hoch die tatsächliche unbefugte Nutzung an Bildmaterial ist.

Also keine Gefahr im Verzug?

Weise: Das will ich nicht sagen. Sicherlich haben es die sogenannten Einzelkämpfer schwerer, ihr Material zu überwachen als die Fotografen, die Agenturen angeschlossen sind. Die Agenturen verfügen über ein inzwischen ausgefeiltes Vertragssystem, um diesem Mißbrauch zu begegnen. Hinzu kommt jetzt mit den elektronischen Medien auch eine neue Klientel von Produzenten, die teilweise recht leichtsinnig mit der Nutzung von Bildern umgehen. Möglicherweise sind die Nutzungen von Fotos auf Terminals, Projektionswänden, in Netzwerken, Software oder für »Video on demand« Bereiche, wo die Urheberrechte nur über die VG Bild-Kunst wahrgenommen werden können. Bisher haben wir uns nur darauf geeignet, die digitale Nutzung von bereits veröffentlichten Fotos in dem kleinen Segment der wissenschaftlichen Publikationen zuzulassen. Dies ist der Einstieg der VG Bild-Kunst in die Wahrnehmung von Fotorechten und damit ist sie auch angehalten, die Urheberpersönlichkeitsrechte der Fotografen, die Namensnennung etc., wahrzunehmen.

Pfennig: Das ist doch selbstverständlich. Wenn wir Rechte übertragen bekommen, verteidigen wir diese auch.

Weise: Das Justitzministerium hat bezüglich der Wahrnehmung durch die VG Bild-Kunst einen kleinen, aber feinen Unterschied gemacht. Bislang ist es so, daß die VG Bild-Kunst einen Wahrnehmungsvertrag mit den Urhebern abschließt und dann die Honorare kollektiv für die Urheber eintreibt. Die Justizministerin spricht nun davon, daß man in Zukunft zu individuell geschlossenen Wahrnehmungsverträgen übergehen müsse, damit sich daraus eine zentrale Wahrnehmung ergibt.

Pfennig: Solche kollektive Wahrnehmung hat immer einen faden Beigeschmack, ist aber dort angemessen, wo eine individuelle Zuordnung, wie im Bereich des Fotokopierens etc., nicht möglich ist. Aber in dem Bereich der digitalen Nutzung von Fotos kommt es, da ja hier die Erst- und Zweitverwertung zusammenfallen können, auf eine individuelle Wertigkeit an, auf die wir auch in Zukunft als VG-Bild-Kunst Rücksicht nehmen müssen. Hier müssen wir Modelle erarbeiten, wo wir Verhandlungen mit Nutzern führen und Rechte anbieten können. Gleichzeitig müssen wir dann Bedingungen beachten, die einzelne Mitglieder stellen .

Dies können bei der riesigen Anzahl von publizierten Fotos aber nur sehr grobe Bedingungen sein.

Pfennig: Natürlich müssen wir aufpassen, daß wir nicht in den Bereich der Bildagenturen eindringen, aber wir können nur eine begrenzte Zahl von Vorbehalten für jeden Urheber aufnehmen. Das ist eine Entwicklung, an der alle Verwertungsgesellschaften arbeiten. Dies bezieht sich ja auf die Publizierung im elektronischen Bereich und hier müssen sich alle Beteiligten darüber klar werden, wann eine individuelle Wahrnehmung nicht mehr lohnt und eine Verwertungsgesellschaft in irgendeiner Form tätig wird.

Weise: Die Interessengruppen müssen sich zusammenfinden, um einen Modus zu finden, auf welcher Vertragsgrundlage und in welchen Bereichen man zukünftig Fotorechte, auch über eine Verwertungsgesellschaft, sichert.

Zu diesen Interessengruppen gehören ja auch die Großverlage, die schon heute kräftig in den Bereich Multimedia investieren.

Pfennig: Die Verlage sind jetzt nur an der Diskussion innerhalb der VG Bild-Kunst beteiligt als Inhaber von Fotorechten, so wie die Fotografen.

Darüberhinaus üben diese einen massiven Druck aus, um zukünftig leichter an die Rechte für Fotos zu kommen.

Pfennig: Dem kann man nur entgegenhalten, indem man große Einheiten der Rechteverwaltung schafft, die sich den Großverlagen in den Weg stellen; der einzelne Fotograf wird das nicht leisten können. Ein Großkonzern will bei einer Multimediaproduktion nicht mit 5.000 Rechteinhabern verhandeln, sondern nur mit wenigen.

Weise: Die VG Wort, die GEMA und die VG Bild-Kunst haben eine Arbeitsgemeinschaft Multimedia gegründet. Das deutet doch darauf hin, daß hier eine Art Pool für die Vergabe von Nutzungsrechten entsteht.

Pfennig: Das hat gleich wieder großes Mißtrauen in der Szene geweckt. Aber wir müssen doch hier unsere Pflicht erfüllen und uns über zukünftige Entwicklungen Gedanken machen. Es gibt einen starken Druck von der Verwerterseite, den Rechteerwerb zu vereinfachen und wir müssen uns überlegen, wie wir diesen erwidern können.

Kommt dieser Druck auch von politischer Seite ?

Pfennig: Die Europäischen Kommissionen sagen, wenn wir Multimediaproduktionen unterstützen, müssen wir den Produzenten auch eine Handhabe bieten, an die Rechte heranzukommen. Sie erwähnen dabei ausdrücklich das Modell der Clearingstelle, die in Frankreich mit Namen SESAM schon existiert. SESAM ist eine gemeinsame Gründung der französischen Verwertungsgesellschaften, wo jeder Nutzer Hinweise über den Rechteerwerb erhalten kann. Wir überlegen zusammen mit den anderen Verwertungsgesellschaften, wie eine solche Clearingstelle als Dienstleistungsangebot aussehen könnte. Wenn wir solche Kooperationen nicht eröffnen, kann es sein, daß der Druck, die Rechte generell freizugeben, sehr groß wird.

Sie verstehen also die Errichtung einer Clearingstelle als Präventivmaßnahme ?

Pfennig: Wir versuchen, der Zwangslizensierung zuvorzukommen und wollen das Prinzip des individuellen Rechteerwerbes aufrechterhalten. Gleichzeitig wollen wir dem Nutzer helfen, leichter an die Rechte heranzukommen, und zwar nur durch Vermittlung eines Kontaktes.

Weise: Die Frage bleibt, ob der Druck von Seiten der Nutzer nicht doch so weit gehen wird, nicht nur eine Auskunft, sondern auch die Rechte weiterzugeben.

Pfennig: Rechte, die ich nicht habe, kann ich auch nicht vergeben. Wenn allerdings ein Fotograf kommt und mir diese übertragen will, würde ich mir das überlegen.

Rechnen Sie damit, daß Fotografen der VG Bild-Kunst mehr Rechte zutragen?

Pfennig: Warum sollen wir dieses Mandat nicht annehmen, wenn Fotografen zu uns kommen und das fordern?

Weise: Damit wird natürlich auf die Urheber von Fotografien seitens der Multimediaproduzenten ein Druck ausgeübt, ihre Rechte auch von der VG Bild-Kunst verwerten zu lassen.

Pfennig: Nur weil die Fotografenszene nicht weiß, was sie will, können sie nicht den Musikern und Künstlern verbieten, ein solches Instrument einer Clearingstelle zu schaffen. Die Nutzer, Regierungen und die Urheber, die ihre Rechte schon in Verwertungsgesellschaften eingebracht haben, wollen eine solche Clearingstelle.

Weise: Ich sage nicht, daß eine solche Stelle nicht eingerichtet werden darf. Andere Urheber als die Fotografen haben eben eine einfacherere Werkkategorie. Fotodesigner arbeiten vielfach im Bereich der Auftragsfotografie und übertragen dem Auftraggeber umfangreiche Nutzungsrechte.

Pfennig: Wenn der BVPA eine Dachorganisation aller Fotografen und Agenturen wäre und eine entsprechende Datenbank einrichten würde, könnten wir alle Anfragen zur Nutzung von Fotos dahin weiterleiten. Das wäre wunderbar. Aber solange dies nicht der Fall ist, werden wir lediglich die Auskunft geben, daß wir keine Fotorechte vergeben können.

Wenn nun alle Urheber außer den Fotografen in einer solchen Clearingstelle vertreten sind, besteht dann nicht die Gefahr, daß Produzenten sich gar nicht die Mühe machen, den Foto-Urheber ausfindig zu machen, das Material verwenden und erst, wenn sie erwischt werden, ein Honorar bezahlen?

Weise: Man kann so spekulieren. Gleichzeitig besteht seitens der Industrie ein Druck, auch Fotourheberrechte durch eine Clearingstelle oder eine Arbeitsgemeinschaft verwalten zu lassen. Politischer Wille ist es, daß dem Marktgeschehen in Europa möglichst wenig Hürden entgegengesetzt werden dürfen. Da wird man alles unterlassen, was den freien Warenverkehr behindert und dazu könnte langfristig auch das Urheberrecht gehören.

Pfennig: Wir leben immer mehr in einer Situation, wo die Verwerter einen starken Druck ausüben, Nutzungsrechte zu bekommen und gleichzeitig eine individuelle Durchsetzung der Rechte wie in den guten alten Printzeiten seitens der Urheber nicht mehr möglich ist. Und hier müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir diesem Druck begegnen, entweder indem wir den Verwertern entgegenkommen und in bestimmten Bereichen der Rechtevergabe kooperieren oder ob wir uns stur stellen und sagen: Nein, keinen Millimeter. Dann müssen wir damit rechnen, daß die Nutzer auf internationaler Ebene Verbotsrechte abschaffen und damit ein neues Urheberrecht installieren, was ja in den diversen Mulimediapapieren der Europäischen Kommissionen schon angedeutet wird. Das geistige Eigentum soll dann zwar bestehen bleiben, aber gleichzeitig soll sichergestellt sein, daß jeder gegen eine Vergütung Zugriff auf jedes Material hat.

Weise: Wir sollten uns in einer großen Runde darüber unterhalten, welche Möglichkeiten in der zentralen Wahrnehmung von Fotorechten und in den individuellen Wahrnehmungsverträgen bestehen, wie die Bedenken, die bisher vom BFF und BVPA vorgetragen wurden, berücksichtigt werden können. Wie soll eine Kontrolle des verbreiteten Materials aussehen, wie weit muß sie gehen, welche Möglichkeiten hat eine Verwertungsgesellschaft oder wie müßte sie ausgestattet sein, um das leisten zu können. Die Verwertungsgesellschaft besteht ja laut Wahrnehmungsvertrag aus ihren Mitgliedern, in unserem Fall den Fotografen, und die müssen sich zusammensetzen und ihre unterschiedlichen Vorstellungen diskutieren und wenn möglich zu einem Konsenz kommen; unendliche Konfrontationen führen uns hier nicht weiter.

Pfennig: Mit Vorschlägen halten wir uns sehr zurück, weil das sofort als Machtanspruch mißverstanden wird. Aber ich sehe schon, daß in der Fotoszene jetzt konstruktiver diskutiert wird und wir stellen gerne unser administratives Know-how zur Verfügung. Es macht allerdings keinen Sinn, gegen einen Teil der Urheber Lösungen zu erzwingen. Bisher haben wir alle diese Fragen im Konsens gelöst und werden auch weiterhin in Abhängigkeit von den Vorgaben unserer Mitglieder handeln. Wir müssen ja nicht morgen eine Lösung haben, aber übermorgen. Wenn wir keine haben, wäre das für alle der schlechteste Weg.

Weil dann eine dritte Seite für uns entscheidet ?

Weise: Darüber sind wir uns alle einig. Wir müssen uns schon noch Zeit nehmen, aber die Zeit läuft.

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BERND WEISE
Geboren 1950, Studium der Fotografie/Visuelle Kommunikation an der Folkwangschule Essen und Publizistik, neuere Geschichte und Politologie an der Freien Universität Berlin. Assistent im Fachbereich Kommunikationsdesign der Universität Essen. Freier Mitarbeiter der Photographischen Sammlung in der Berlinerischen Galerie. Lehrbeauftragter und Referent für Fotojournalismus an verschiedenen Institutionen und Universitäten. Seit 1989 Geschäftsführer des Bundesverbandes der Pressebild-Agenturen und Bildarchive in Berlin.

GERHARD PFENNIG
Geboren 1946, Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen und Bonn. Wissenschaftliche Mitarbeit am Institut für Zivilprozeßrecht der Universität Bonn. 1977 Zulassung als Rechtsanwalt. 1973–1988 Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes der Bildenden Künstler. Geschäftsführer des Kunstfonds e.V. seit 1980. Vorstand der VG Bild-Kunst seit Juni 1977. Mitglied des Verwaltungsrates und Exekutivkomitees der CISAC (Weltorganisation der Verwertungsgesellschaften).


Wer ist die VG Bild-Kunst?

Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst) mit Sitz in Bonn nimmt seit 1969 Reproduktions-, Folge- und Senderechte für Künstler wahr, auch Vergütungsansprüche von Designern, Illustratoren, Fotografen und Urhebern aus der Filmszene. Nach dem Urheberrechtsgesetz und dem Wahrnehmungsgesetz werden für Fotografen folgende Rechte und Vergütungsansprüche nur durch die VG Bild-Kunst wahrgenommen:

1. Bibliothekstantiemen

2. Lesezirkelvergütungen

3. Pressespiegelvergütungen

4. Fotokopiervergütungen

5. Übernahme von veröffentlichten Fotos aus Büchern in Fernsehsendungen

6. Ansprüche aus der Nutzung von bereits veröffentlichten Fotos in digitaler Form durch Vervielfältigung, Vorführung, Sendung und Wiedergabe für wissenschaftliche und Bildungszwecke.

1994 nahm die VG Bild-Kunst (inklusive der Bereiche Film und bildender Kunst) 31 Millionen Mark ein. Nach Abzug der Verwaltungskosten und der Beiträge für den Sozialfond, den die VG Bild-Kunst für in Not geratene Urheber unterhält, werden diese Gelder an die Mitglieder ausgeschüttet. Die Höhe des Ausschüttungsbetrages richtet sich nach der jährlichen Meldung des Fotografen an die VG Bild-Kunst. Darin deklariert er detailliert seine Erlöse z.B. aus Veröffentlichungen in Tageszeitungen, Zeitschriften, Büchern, Fernseheinblendungen. Mit den Angaben aller Fotografen, die der VG Bild-Kunst angeschlossen sind, wird eine Verteilungsquote errechnet, auf der die Ausschüttung an die einzelnen Urheber basiert. Die Zuordnung der Verteilungssumme auf den einzelnen Fotografen richtet sich also nach seinen Angaben über die Erstverwertung.

Wo eine individuelle Zuordnung möglich ist (Sendung von Buchillustrationen), wird mit jedem Fotografen individuell abgerechnet. Natürlich bekommen nur Mitglieder Geld, die ihre jährliche Umsatzmeldung abgegeben haben


Wer ist der BVPA?

Der Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Bildarchive (BVPA) wurde 1970 von 18 Bildagenturen gegründet. Inzwischen hat sich die Mitgliederzahl auf 92 erhöht. Als einzige Interessenvertretung der Bildagenturen in Deutschland entwickelte der BVPA in den letzten 25 Jahren die Grundlagen des Geschäftes mit Bildnutzungsrechten. 1977 wurde die Arbeitsgemeinschaft Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing gegründet. Sie veröffentlicht jährlich die Broschüre Bildhonorare, in der die am Markt üblichen Bildhonorare verzeichnet sind. Der BVPA bietet neben Workshops zu aktuellen Themen für seine Mitglieder Seminare zur Aus- und Weiterbildung an und bemüht sich um Schaffung eines staatlich anerkannten Berufsbildes des Bilddokumentars. Seit 1985 gibt er das Bildquellenhandbuch heraus, in dem das Leistungsspektrum der Mitgliedsagenturen dargestellt wird. 1993 wurde ein europäischer Dachverband der Bildagenturen (Coordination of European Picture Agencies – CEPIC) gegründet. Er bemüht sich um die Harmonisierung des Urheberrechtes, der Handelskonditionen und Wettbewerbsbedingungen.