Magazin #08

Eine Niete als Hauptgewinn

Stadtmagazine sind ein gutes Übungsfeld für Fotografen – auch um die Tücken redaktioneller Tricks und Schacherei kennenzulernen

Text – Stefan Krulle

Der »Hauptgewinn« schien verlockend – auf den ersten Blick jedenfalls: »Wie werde ich Haus- und Hoffotograf des Stadtmagazins Oxmox?«, fragte eine großformatige Annonce der Hamburger Gazette und lud die freien Kreativen mit Kamera freundlich ein, sich doch recht zahlreich für den tollen Job zu bewerben. Wer der Offerte Beachtung schenkte, fand schon bald spannende Post im Briefkasten. Sofern er oder sie nicht mit Blindheit geschlagen war, mußte man nach deren Lektüre an einen derben Scherz des Verlagsleiters Klaus Schulz glauben.

Der allerdings wollte überhaupt nicht witzig sein. War es etwa keine prima Idee, die Bebilderung des geplanten Sonderheftes »Gastronomie in und um Hamburg« in die Hände engagierter Neulinge zu legen? Denn genau darum ging es: Der willige Nachwuchs wurde mit einer Liste von 20 Restaurants kreuz und quer durch die Stadt und das schöne Umland geschickt. Um dann »mindestens 10, gerne alle 20« auf Zelluloid gebannt und »bitte pünktlich« zum Abgabetermin, auf Hochglanz geprintet und »sorgfältig beschriftet«, der neugierigen Redaktion vorzulegen.

Dort durften die fleißigen Bilderboten dann stolze Summen von »maximal 50 Mark (inkl. Mehrwertsteuer)« als Anzahlung ohne Fortzahlung auf ihre Materialkosten quittieren – und fortan sich selbst die Daumen drücken. Womöglich fände ja gerade eines ihrer Fotos Gnade vor den Augen der gestrengen Jury und würde »honorarfrei für das Gastro-Sonderheft« gedruckt. Als erstes Ruhmesblatt einer jungen Karriere. Denn »natürlich«, so hatten Schulz und seine Oxmox-Crew generös versprochen, »werden die Fotografen der abgebildeten Fotos namentlich genannt«.

Zum ersten und letzten Mal allerdings, denn die Rechte an jenen Fotos würden fortan bei der Klaus Schulz Verlags GmbH liegen – und dort vermutlich in einer staubigen Schublade mit den mühsam erstellten Prints vergilben. Aber immerhin liegen sie dann beim Oxmox, dem nach Szene und Prinz drittwichtigsten der drei Stadtmagazine Hamburgs.

Vermutlich hörten nicht alle freien Fotografen der Elbmetropole beim Lesen des Schulzschen Angebots die Glücksengel jubilieren. Vermutlich hatten ein paar von ihnen bereits für ähnliche Magazine zu arbeiten versucht und dabei den Traum vom Ruhm sowieso, etwas später sogar den von angemessener Bezahlung ad acta gelegt. Nirgends sonst in Deutschlands Presse-Landschaft wird nämlich den Freelancern, ob Fotografen oder Autoren, für weniger Geld mehr Mühe abverlangt, als bei den Szene- und Stadtmagazinen.

Niemand wird dabei bestreiten, daß diese Blätter tatsächlich im Überlebenskampf stehen. Fraglich ist aber, ob der unbedingt auf dem Rücken der Freelancer auszutragen ist. Und ob das Gerede von leeren Kassen nicht allzu oft mehr der Erpressung der um ihren Broterwerb besorgten Lieferanten dient, als der Beschreibung tatsächlicher Zustände. Die Verleger und Redakteure jedenfalls, deren Einkommen ebenso im Dunkeln weilen wie nachts ihr Jaguar in der Garage, reiten ihre Low-Budget-Masche unverdrossen. »Wenn du den Job für dieses Geld nicht machen willst, dann nehmen wir halt einen aus dem Dutzend vor der Tür«, lautet nicht selten die Reaktion auf sachte Kritik an Fotohonoraren knapp über den Preisen eines Diafilms. Zu dumm, daß sie immer noch ihre Hefte vollkriegen.

Mancher Jung-Journalist folgt schönen Gerüchten in die Redaktionsräume der Stadtmagazine – und stellt dort fest, daß diese teilweise sogar der Realität entspringen. Wenn Fotografen wie Autoren von »gut verlaufenden Diskussionen über Fotoinhalte« beim Münchner, der »angenehmen Atmosphäre der Zusammenarbeit« bei der Hamburger Szene und dem inzwischen in Fritz umbenannten Frankfurter Boulevard berichten, wenn sie von den »prima Chancen für Einsteiger« etwa beim Stuttgarter Prinz erzählen, dann nennen sie hiermit das vielleicht beste Argument, über die jugendlichen Blätter den Karriere-Start zu versuchen. Keine Frage: Ein vergleichbar lockeres, oft freundschaftliches Umfeld ist bei Tageszeitungen und Hochglanzmagazinen schwer zu finden.

Und deshalb wird all das von den Szeneblättern und deren Redaktionen oft und gern zur Eigenwerbung benutzt – aber leider noch häufiger mißbraucht. Solange der Anbieter beim Kaffeeplausch noch freundlich lächelt und zum Lamento der Redakteurin, man sei halt »leider nicht der Stern« und könne »deshalb keine fürstlichen Honorare zahlen«, wissend nickt, ist die Welt in Ordnung. Wer aber die Arbeit mit wirklichen Profis kennt, merkt schnell, daß bei den Stadtgazetten die flotten Umgangstöne und kreatives Chaos wie in der Studenten-WG oft bloß Unprofessionalität und den Versuch, Storyshopping zum Niedrigsttarif zu betreiben, überdecken.

Da zahlt der Münchner für eine Strecke von neun Fotos geradezu sensationelle 150 Mark und läßt darauf nur gut zwei Monate warten. Das Osnabrücker Stadtblatt, entlohnt den Mann hinter der Kamera mit 25 Mark pro Bild einer Fotoreportage. Wenn sie gedruckt wird – denn Ausfall-Honorare sind hier unbekannt. Der Bremer läßt seine Fotografen schriftlich die kostenfreie Nutzung ihrer Fotos im Internet gestatten, beim Mainzer hört ein Fotograf auf seine Honorarforderung von 40 Mark den Satz, es sei »eine Frechheit, Geld erpressen zu wollen«.

Material- und Laborkosten bleiben bei fast allen Magazinen am Fotografen hängen, die oft noch für die Nutzung der verlagseigenen Dunkelkammer Gebühren berappen dürfen. Und weil die Promotion-Fotos der Veranstalter und Plattenfirmen ja keinen Pfennig kosten, werden seit geraumer Zeit die Auftragsbücher der freien Mitarbeiter immer dünner. Mehr als 2 000 Mark brutto sind selbst bei größeren Blättern wie dem Berliner Zitty monatlich nicht zu verdienen. Da bleibt für den Fotografen wohl nur das Prinzip Hoffnung. So können Hefte wie das Oxmox weiterhin darauf setzen und Freie für ein Taschengeld ködern.

Der Sieger von Schulz’ tollem Wettbewerb hat übrigens vergeblich auf einen Arbeitsvertrag gewartet. Und im Verlag denkt man schon über die nächste Tombola nach. Je 20 Fotos von 23 Teilnehmern für insgesamt höchstens 1150 Mark Kostenerstattung – wo sonst bekommt man gute Bilder für 2,50 Mark das Stück. Ob das die sittenwidrige Ausnutzung einer Notlage ist? Aber nein, das ist die große Chance.

PROFESSIONALITÄT

Von der Prinzenrolle

Hamburg, in den Räumen des Prinz. Eine nette Redakteurin, Ressort Unterhaltung, plant zwei Reportage-Seiten zum Gastspiel einer internationalen Zirkus-Show. Der freie Fotograf und der freie Autor kommen persönlich vorbei. Drei Stunden Arbeitszeit, aber Kunden lauern ja auch nicht an jeder Ecke. Die Fotomappe macht Eindruck, die 40 Kontaktbögen, in vier Tagen hinter den Kulissen der Show entstanden, auch. Das angebotene Honorar weniger: »Also wir brauchen so acht bis zehn Bilder, da kämst du auf 500 Mark am Ende.« Für alle zehn, inklusive Material. »Na, du hast doch schon welche davon verkauft.« 500 Mark seien sein halber Tagessatz, netto, bemerkt der Fotograf. Die Redakteurin blickt zu Boden, versucht dann ein Lachen: »Hier arbeiten viele echt namhafte Fotografen, weil bei uns einfach mehr Fun dabei ist.« Klar macht’s den Big Names Spaß, Promotion-Fotos gegen gutes Geld zu schießen, die dann gern auch im Prinz gedruckt werden dürfen. Nun lacht der Fotograf und verliert langsam den Spaß. Aber gut, man werde sich irgendwo einigen.

Wie auch bei den Absprachen mit dem Textautoren: »So eine richtig runde Geschichte, mit Atmosphäre, aber auch mit Zahlen. Und warum man da hingeht, natürlich.« Klar, natürlich, präziser war’s doch kaum zu besprechen. »Und für zwei Seiten eben. Wieviele Zeichen? Weiß nich’, wir haben bei uns Zeilen.« Ein paar Wochen später wird geliefert, mit dem Fotografen hat man sich in der Nähe der Schmerzgrenze geeinigt. Immerhin geht es ja um eine Zweitverwertung.

Und leider gibt es einen Chefredakteur, der noch ein bißchen cooler ist als sein Blatt. Mit dem Text sei »nichts anzufangen, und muß man denn gleich Werbung machen?«. Auch wenn Verrisse vielleicht hip sein mögen, kommt’s doch schließlich auf die Qualität der Veranstaltung an, meint der Texter. »Aber es gab doch klare Absprachen«, kontert der Chefredakteur. Mit wem? »Naja, und die Fotos sind so toll nun auch wieder nicht!« Und jetzt? »Irgendwie haben wir gemerkt, daß die Story doch nichts für uns ist.« Ziemlich früh. »Wenn du volles Honorar willst, müßtest du mir mindestens noch eine Version schreiben, mit der ich leben kann. Schließlich zahlen wir Unsummen.« Das stimmt irgendwie, bloß anders, als er meint. Am Ende erhält der Autor ein lächerliches Ausfall-Honorar (dabei gab es einen Vertrag). Der Fotograf geht leer aus.