Magazin #18

Hobby-Chefredakteur gesucht…

Mit dem Argument »Krise« setzen viele Verleger den Fotografen und Autoren das Messer an den Hals – Verträge und Spesenordnungen spiegeln wider, wie man die Rendite zu sichern gedenkt.

Text – Lutz Fischmann

Frieder Burda ist ein Mäzen alter Schule – das meinen jedenfalls die Ausrichter der Art Cologne, die dem Verleger und Kunstsammler in diesem Jahr den gleichnamigen Preis für seine »Verdienste um die Vermittlung moderner und aktueller Kunst« verliehen haben. Wie es in Familien so zugeht, möchte ihm wohl sein Bruder Hubert nacheifern – allerdings scheint er eine Fotografie-Sammlung aufzubauen. Lässt er sich doch in Fotografenverträgen gleich das Eigentum an den gelieferten Bildern inklusive dem Ausstellungsrecht einräumen.

Und er liegt damit voll im Trend: Von den Aachener Nachrichten bis zu Zitty herrscht Goldgräberstimmung. Unter dem Deckmantel der vermeintlich schlechten wirtschaftlichen Lage werden die Claims abgesteckt und Fakten geschaffen. Fotografenverträge lesen sich heute wie die Vollstreckungsbescheide eines Gerichtsvollziehers.

Dabei hatte alles so schön angefangen. Waren doch bis in die 70er Jahre Fotografen und schreibende Journalisten fest angestellt, hatten Anspruch auf Urlaub und Sozialleistungen. In den Verlagen wurden satte Gewinne eingefahren und Imperien aufgebaut. Dann kamen die freien Mitarbeiter in Mode – die waren beliebig austauschbar und vor allem billiger. Unter großem Widerstand wurde den Verlagen ein lächerlicher Beitrag zur Künstlersozialkasse abgerungen, mit dem sie einen bescheidenen Obolus zur sozialen Absicherung der freien Mitarbeiter leisten sollten. Inzwischen wird schon dieser Beitrag (in diesem Jahr 3,8% der Honorarsumme) oft wieder per Vertrags-Diktat den Autoren abgepresst.

Dabei geht es nicht um Verteilungskämpfe – die gab es für freie Mitarbeiter noch nie. Freie Journalisten hatten nie eine Lobby; Gewerkschaften machten sich mit ihrer Tarifpolitik nur für fest angestellte Kollegen erfolgreich stark. Selbst in den Hochzeiten des Zeitschriftengeschäftes blieben die Honorare konstant, real sanken sie aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten. Und mehr als zehn Jahre gleichbleibende Honorare waren selbst bei »journalistischen Flaggschiffen« wie Stern, Spiegel und Zeit die Regel.

Bezeichnend ist auch die vordergründige Diskussion um den einbrechenden Werbemarkt als Hilfsargument für das große Aufräumen. Nimmt man als Kenngröße nicht die Anzeigenhochzeit der »New Economy«, ist der Rückgang nur noch gering. Verschwiegen wird, dass die Krise größtenteils hausgemacht ist – sie ist gekennzeichnet von unternehmerischen Fehlentscheidungen, z. B. denen der Internetauftritte. Gerüchten zufolge verursachten stern.de oder spiegel.de monatliche Verluste im sechsstelligen Bereich. Auch die gnadenlosen Verdrängungswettbewerbe in den Spartenzeitschriften wie Fernsehen, Frauen, Lifestyle etc. verschlingen Unsummen. Diese Platzierungskämpfe konnten nur über niedrige Verkaufs- und Anzeigenpreise finanziert werden – und natürlich mit gnadenlosem Honorardruck auf freie Mitarbeiter.

Und nun haben die Verlagsmanager, die neuen Herren der Zeitschriften, weitere Kostenfaktoren entdeckt. Rolf Wickmann, im Vorstand von Gruner + Jahr zuständig für das Ressort Zeitschriften, verkündet ex Cathedra, ab sofort würden keine Tagesspesen mehr bezahlt und ab dem 201 Kilometer nur noch 15 Cent pro Kilometer. Wohlgemerkt sind dies Kosten, die Fotografen deshalb entstehen, weil sie einen Auftrag für eine Redaktion erledigen. Oder die Zeitschrift Brigitte: Erarbeiten Fotografen für sie eine Reportage, werden pro Woche nur noch 20 Filme erstattet – die restlichen müssen sie selber bezahlen.

Die Chefredakteure, die gerne in Talkshows ihr liberales Image pflegen, gehen in Deckung und überlassen die Schmutzarbeit ihren Verlagsoberen. Mitarbeitern, die zum Teil über Jahrzehnte freie Beiträge geliefert haben, werden mit Buy-out-Verträgen alle Rechte an ihrem Material genommen. Die Verrohung der Sitten äußert sich zuerst in der Kommunikation – die findet nicht statt. Ohne jegliche Bereitschaft zum Gespräch werden Fakten geschaffen. Heuchlerisch wird mit Äußerungen wie »wertvolle Beiträge, die freie Mitarbeiter erbringen« die Nötigung eingeleitet. Was dann folgt, ist ein einfaches »Friss oder stirb« – zum Teil per Einschreiben mit Rückschein. Wer sich nicht mit Haut und Haaren verkauft, geht leer aus.

Dabei wird in der ganzen Zeitschriftenkrise eine wesentliche Diskussion nicht geführt: die der Qualität. Warum soll ein Käufer zu einer Zeitung greifen, in der nur redigierte Agenturberichte stehen? Warum soll er ein Magazin kaufen, in dem sogar ganze Seiten von Agenturen wie ddp angeliefert werden? Warum soll er Internetseiten besuchen, auf denen der eine vom anderen abkupfert (inklusive der Schreibfehler) und Artikel mit der Floskel einleitet: »Laut einem Zeitungsbericht …« Und wo sind die Meinungen und Analysen in den Zeitschriften geblieben? Wer braucht gedrucktes Fernsehen? Den Beleg lieferte Hans Kraus – Chefredakteur der Goslarschen Zeitung – ab. Wer am 23. November 2002 die Stellenanzeige für »Hobby-Fotografen/innen« in seiner Tageszeitung fand, muss sich unwillkürlich als Leser fragen, ob nicht die ganze Redaktion aus Hobby-Journalisten besteht.

Von Seiten der Politik, die die Probleme der »Kulturschaffenden« erkannt hatte, ist keine Hilfe zu erwarten. Zwar wurde im neuen Urhebergesetz ein Anspruch der Urheber auf »angemessene Vergütung« formuliert, aber letztendlich durch Intervention der Verlegerlobby und des jetzigen »Superministers« Clement verwässert. Schon jetzt sind die Manöver der Verlegerverbände in den Verhandlungen um gemeinsame Vergütungsregelungen deutlich zu erkennen – tarnen, tricksen und täuschen. Erinnert man sich an die großen Versprechungen der alten und neuen Regierung, Urheber und Verwerter sollten »auf gleicher Augenhöhe« miteinander verhandeln können, bleibt den Autoren außer sarkastischen Bemerkungen nichts davon übrig.

Chapeau: ein Sieg der Verlegerlobby auf ganzer Linie! Zu den Verlegern gehört übrigens auch die SPD – an jeder zehnten Tageszeitung, die in Deutschland verkauft wird, ist die Regierungspartei beteiligt.