Magazin #09

Nachwuchs im Busch

»Wie werde ich ein erfolgreicher Fotograf?« Diese Frage ließ World Press Photo in Harare diskutieren. Und am Ende fand sich eine unerwartete Antwort…

Text – Christiane Gehner

»How to become a successful photographer?« Diese vielversprechende Frage stand im Programm eines Workshops für Presse- und andere Fotografen im schwarzafrikanischen Zimbabwe. Der Ort der Handlung: das National Museum inmitten der Hauptstadt Harare. Die Teilnehmer: Ein gutes Dutzend ausgewachsene Männer, zumeist Shona, aber auch Ndebele-Leute, eingeladen von World Press Photo. Und ich, ausgeguckt, ein dreitägiges Seminar zu bestreiten. Mir zur Seite: AFP Chief Photographer Alexander Jae aus Nairobi, zuständig für 18 afrikanische Länder. Zudem hatte WPPH die lokale Bild- und Presseagentur SAMSO beauftragt, das ganze vor Ort zu koordinieren.

Ich hatte zuvor schon meine Zweifel angemeldet, jedenfalls war mir nicht so recht klar, was eine Hamburger Bildtante aus Germany den Leuten auf dem afrikanischen Kontinent wohl beibringen sollte. Lagen da nicht Welten zwischen uns? Die Leute vom WPPH sahen da aber kein Problem. Also flog ich los – Reise und Aufgabe hatten ja zweifellos ihre Reize. Und es wurde dann tatsächlich eine hochinteressante und auch amüsante Erfahrung. Die World Press Photo-Stiftung hat in den vergangenen Jahren zusätzlich zum altbekannten Wettbewerb Aktivitäten entwickelt, um weltweit die Kultur des Fotojournalismus zu vermitteln und zu fördern. Hierzu gehört auch ein auf drei Jahre angelegtes Workshop-Programm in den Ländern Peru, Bosnien, Bangladesh und Zimbabwe. Insofern darf man vielleicht erwarten, daß gewisse Ziele erreicht werden können, nämlich die Anerkennung des Fotojournalismus als Profession in der gedruckten Presse.

Und nun also das Meeting in Harare. Zunächst einmal stellte man sich gegenseitig vor – nicht kurz und knapp, sondern jeder präsentierte wortreich den anderen, nachdem man sich intensiv ausgefragt hatte. Einige arbeiteten als Freelancer, die meisten als feste Freie in regelmäßigem Auftrag für lokale Tageszeitungen, was allerdings keine auch nur halbwegs ausreichende Existenzabsicherung bedeutet. Die fraglosen Stars waren jene Kollegen, die dem Staff von Herold oder Chronicle in der Hauptstadt angehören. Deutlich wurde aber auch, daß nicht alle Zeitungs-Chefs vom Sinn und Zweck dieser Veranstaltung überzeugt waren. Jedenfalls piepsten ständig die Handys und beriefen die Leute zu vermeintlich dringenden Terminen ab.

Beim Thema „»ortfolio« gab es die nächsten unerwarteten Schwierigkeiten. Was war das überhaupt? Die meisten hatten ihre besten Bilder schlicht nicht dabei, weil nicht dranzukommen war. Man hatte keine Negative, und wenn ja, dann keine Prints oder nur sehr schlechte, weil man allein auf die maschinellen Labors der Arbeitgeber angewiesen ist, wo nur entwickelt, aber kaum noch geprintet wird. Nachdem ein Negativ gescannt ist, wird es wertlos, geht möglicherweise verloren, und kein Mensch ist in der Nähe, der es gelernt hätte, einen einigermaßen guten S/W-Print anzufertigen. Immerhin legte ein Lokalreporter aus Bulawayo säuberlich ausgeschnittene Veröffentlichungen auf den Tisch, schlecht gedruckte Bilder zwar, doch immer noch gut genug, um sein Talent und sein sicheres Gefühl für Situationen zu beweisen. Fast jeden Tag ein gutes Foto auf der ersten Seite – das macht nicht jeder nach.

Wieder stellte sich die Frage, wie man die Arbeit besser präsentieren müßte. Der Kollege aus Bulawayo zuckte nur resigniert die Schultern. Ich mußte mich recht zusammenreißen, um nicht schwärmerisch von garantierten Tageshonoraren und einmaligen Abdruckrechten bei uns daheim zu reden. Ich habe auch nichts verschwiegen, aber zunächst galt es, einiges über die sogenannten ‘Allgemeinen Geschäftsbedingungen’ vor Ort zur Kenntnis zu nehmen. Schließlich, so erklärte man uns während unserer Schulstunde »How to become a successful photographer«, schließlich gehören Negative und Copyright demjenigen, der Filme und Entwicklung bezahlt, also dem Zeitungsverleger. So ist das also, dachte ich, und versuchte so gut es ging klarzumachen, was ein Copyright ist. Ich referierte über bei uns übliche Geschäftsgrundlagen und auch darüber, daß diese keinesweg garantiert sind und das mühsam gesicherte Copyright durch das Angebot unzähliger Online-Dienste mehr als gefährdet ist. Und so entwickelte sich die Diskussion – völlig ungeplant – auf FreeLens zu. Ich hatte in meinem Dia-Fundus ein Repro des ersten FreeLens Magazins dabei, mit der trefflichen Titelzeile: »Wir kommen!« Das ganze endete wegen großer Hitze unter einem Baum. Im Garten des Museums saßen meine neuen Freunde und palaverten den ganzen Nachmittag bis zum Einbruch der Dunkelheit in nie gehörten Sprachen.

Beim Farewell-Drink kamen sie dann feierlich auf Englisch und gut verständlich mit einer förmlichen Proklamation heraus: Sie hatten soeben »FreeLens Zimbabwe« gegründet, offiziell Association of Zimbabwean Pressphotographers genannt. 1. Vorsitzender, 2. Vorsitzender, Kassenwart etc. – fast alle hatten einen Posten. Sogar ich: Mir fiel eine Rolle im »Advising Board« zu.

»I’m new born«, sagte David, ein Freelancer aus Harare, »now I am not any longer working as a press photographer, I will be a pressphotographer«.