Magazin #21

Zehn Jahre aktiv für Fotografen

Vor einem Jahrzehnt startete FREELENS – und die Zahl der 150 Gründungsmitglieder hat sich inzwischen verzehnfacht. Beim Aushandeln von Verträgen, juristischer Beratung und der Interes­sen­­vertretung ist der Verein heute zu einer festen Größe in der Branche geworden.

Text – Anna Gripp

Das erste Gruppenfoto war noch eine etwas steife Angelegenheit. Wolfgang Steche (Visum) baute in einer Halle der Hamburger Kampnagel-Fabrik Großformatkamera und Blitzanlage auf, knapp 150 FREELENS-Gründungsmitglieder saßen in Reih und Glied und blickten in die Linse. Zuvor hatten sie über Vereinsnamen, Musterverträge und Mitgliedsbeiträge diskutiert, über die Solidarität unter Fotojournalisten; anschließend wurde die Satzung verabschiedet und ein Vorstand gewählt.

Die Frage nach der Solidarität konnte seinerzeit nicht abschließend beantwortet werden und taucht bis heute in Diskussionen auf. Gegen das Überangebot an Fotografen und den daraus resultierenden Konkurrenzdruck kann auch FREELENS nichts ausrichten, und trotzdem hat dieser Verein eine beachtliche Solidarität erreicht. Das Ritual des alljährlichen Gruppenfotos, aufgenommen in der Mittagspause während der Mitgliederversammlung, ist dafür ein Symbol geworden. Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie Fotografen – die allgemein als besonders individualistisch gelten und sich zudem meist ungern selber fotografieren lassen – hierfür zusammengetrommelt werden. Wer den Part des Fotografierenden übernimmt, muss stets einige Witzeleien ertragen, doch schließlich blicken alle wieder bereitwillig in die Kamera. Fotografiert wird längst digital.

Stichwort: digital. Ob es FREELENS wohl auch ohne die Digitalisierung der Fotografie geben würde? Schwer zu beantworten. Doch rückblickend lässt sich konstatieren: FREELENS wurde (gerade noch) rechtzeitig gegründet, um grundlegende Veränderungen der Branche von Seiten der Fotografen selbstbewusst zu begleiten. Dabei gab es anfangs durchaus Skepsis. Noch so ein Verein… Die Initiatoren hielten dagegen: »Alle bislang existierenden Organisatoren haben unsere Interessen nicht oder nur ungenügend vertreten.« Bei einem Treffen im Vorfeld der Gründung wurde noch diskutiert, FREELENS als Untergruppierung vom Bund Freischaffender Fotodesigner (BFF) zu organisieren. Doch während der BFF seine Mitglieder nach ihrer fotografischen Qualität auswählt und hier ein möglichst hohes Niveau halten möchte, arbeitet FREELENS nach dem gewerkschaftlichen Prinzip und mit dem Fokus auf journalistische Fotografie.

Bei allem Bedauern über eine Zersplitterung der Fotografenszene und dem Wunsch nach einer starken, verschiedene Bereiche der Fotografie verbindenden Lobby – FREELENS hat eindrucksvoll bewiesen, wie richtig diese Vereinsgründung war. Zum Glück sind die anfänglichen Animositäten zwischen FREELENS und BFF längst kollegialem Miteinander gewichen.

Zu Beginn wurde das Bild von FREELENS vor allem durch seine Gegenwehr geprägt. Man kämpfte gegen Knebelverträge der Verlage, gegen schlechtere Arbeitsbedingungen, ja sogar gegen Fotografen aus den eigenen Reihen, die doch bitte schön endlich Mitglied werden sollten. In der ersten Ausgabe vom FREELENS magazin schrieb Rolf Nobel gegen die ‚Hannemann-geh-Du-voran‘-Mentalität an, die Initiatoren wünschten sich ein schnelleres Wachstum. Dass der Verein schon zwei Jahre später knapp 1.000 Mitglieder hatte und sich seit 2002 auf ca. 1.500 FREELENSER eingependelt hat, ist sicher auch diesen ‚Kämpfen‘ zu verdanken, allen voran: die FREELENS-Klage gegen den Spiegel, um eine Honorierung von Fotografien auf den CD-ROM-Ausgaben des Nachrichtenmagazins durchzusetzen. Das war eine Art Ritterschlag für den Verband – Mensch, die tun was! – und wirksame PR zugleich.

Dennoch ist es gut, dass FREELENS nicht mehr vorrangig über Prozesse wahrgenommen wird. So berechtigt einzelne Klagen waren und sind, je nach Formulierung in Pressemitteilung und Magazin hatte das auch zuweilen etwas Moralinsaures und Gewerkschaftlich-Muffiges. Der Verband ist heute eine feste Größe in der Branche, mit der Fotografen und Bildverwerter rechnen können und müssen. Unbeachtet von einer breiten Öffentlichkeit setzt er sich kontinuierlich für die Interessen seiner Mitglieder ein, handelt Verträge mit Verlagen aus, vermittelt juristischen Rat u.v.m. Dass der Spiegel sich im Vorfeld der Dauerleihe seines Bildarchivs an Hamburgs Haus der Photographie mit FREELENS zusammensetzt, um Fotografen für die Förderung dieses kulturellen Projektes zu gewinnen, ist nur ein Beispiel für den Stellenwert von FREELENS und für konstruktive Projekte.

Dabei ist der Verband ein Stück weit zu dem geworden, wovor Knut Gielen 1998 als Mitglied des Vorstands warnte: eine Art ADAC für Fotografen – mit Pannenhilfe, Informations- und Serviceleistungen. Doch das ist nicht zu bedauern, sondern vor allem ein Zeichen der Professionalisierung und Folge einer höchst effektiv arbeitenden Geschäftsstelle. Vielleicht wird heute ein Fotograf Mitglied bei FREELENS, weil er vor allem das neue Online-Portal nutzen und zu günstigen Konditionen an den Workshops teilnehmen möchten. Auch das hilft der Gesamtorganisation.

So gelingt FREELENS die Balance zwischen Mitgliederservice, Lobbyarbeit und Engagement für die (journalistische) Fotografie. Das Ideal der Solidarität unter Fotografen ist damit nicht aufgegeben, aber auch nicht in letzter Konsequenz Voraussetzung. Trotz aller Familiengefühle, die Jahr für Jahr bei der Mitgliederversammlung entstehen – wer beim Ritual des Gruppenfotos durch die Reihen schaut, begegnet einer heterogenen Truppe: Pressefotografen, die Tageszeitungen beliefern, sind ebenso dabei wie Fotografen, die ihr Geld nicht nur im Journalismus, sondern vor allem mit Geschäftsberichten und Werbung verdienen. Auch Bildjournalisten, die heute als Professoren oder Bildredakteure arbeiten, gehören zu FREELENS. Insgesamt ein Potenzial, das noch an viele weitere Projekte denken lässt – für die nächsten zehn Jahre. Herzlichen Glückwunsch!

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Anna Gripp
ausgebildete Fotografin, seit 1989 Redakteurin bei Photonews in Hamburg.