Magazin #29

Zukunft ohne Verleger

Der Medienmarkt ändert sich, also ändern sich auch die Medien. Um weiter am Markt zu bestehen, muss man sich manchmal einfach neu erfinden

Text – Wolfgang Michal
Fotos – Achenbach & Pacini

Ja, ich gebe es zu: Manchmal sehne ich mich zurück nach richtigen Verlegern und richtigen Redaktionen. Nach Profis, die dem Autor helfen, aus dem eigenen Stück das Beste zu machen. Nach Redakteuren, die behutsam und verständig eingreifen, und mit hauchzarten Bleistiftmarkierungen empfehlen, ein Wort oder einen Satz zu ändern, aber nur, wenn der Autor auch damit einverstanden ist. Ich sehne mich zurück nach Bildredakteuren, die Fotos gemeinsam mit den Fotografen auswählen und ein Interesse daran haben, dass Bilder und Texte in eine dramaturgisch richtige Reihenfolge gebracht werden.

Ich sehne mich nach diesen selbstlosen »Hebammen« von Geschichten. Nach kompetenten, einfühlsamen Fachleuten, die ihre Rolle nicht überschätzen und freien Autoren und Fotografen einen gewissen Respekt entgegenbringen. Die von sich aus Autorenpflege betreiben, Brücken bauen, Kontakt halten, Arbeit abnehmen, den Rücken frei halten – und dafür sorgen, dass Autoren und Fotografen den Mut haben, ihre Handschriften weiter zu entwickeln.

Diese dumme und naive Sehnsucht nach einer wahrscheinlich nur eingebildeten Vergangenheit ist natürlich nichts anderes als eine Abwehr-Reaktion. Sie soll die Resignation verscheuchen und eine Alternative aufzeigen zur kaltschnäuzig gewordenen Gegenwart. Denn heute ist es leider so, dass die »Hebammen« in den Verlagen fast ausgestorben sind; dass dort Fließbandarbeiter sitzen, die sich wie Autisten verhalten. Sie leben in ihren Wagenburg-ähnlichen Text-Bild-Fabriken und betrachten freie Autoren und Fotografen als lästige Rohstofflieferanten. Auf die Motive, die gedankliche Arbeit, das Herzblut dieser Leute können sie keine Rücksicht nehmen. Sie schneiden die Stücke in Stücke und redigieren sie in Grund und Boden.

Oha, werden Sie sagen, schon wieder so ein Klagelied!? So ein folgenloses Gejammer, das man seit Jahren – abends beim Bier – von Autoren und Fotografen zu hören bekommt nach dem Motto: (Zähne-)klappern gehört zum Handwerk?

Nein, es ist nur eine Vorrede – eine notwendige allerdings, denn ohne sie kann man das Nachfolgende nicht verstehen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem das alte System des freien Arbeitens zusammenbricht. Dieses System bestand aus drei (ungeschriebenen) Gesetzen zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber: 1. Geld, 2. Spaß, 3. Renommee. Zwei der drei Vorgaben musste ein Auftrag erfüllen, um guten Gewissens erledigt zu werden. Es gab Aufträge, die Spaß machten und Renommee einbrachten, aber kein Geld (wie dieser hier). Es gab Geschichten, die Geld und Spaß versprachen, aber kein Renommee. Solche Aufträge kamen meist aus der Werbung oder der Lifestyle-Branche. Und es gab Themen, die Geld einbrachten und Renommee, aber keinen Spaß erlaubten (das waren die Pflichtthemen). Wer diese drei Auftragstypen in ein gesundes Mischungsverhältnis brachte, konnte als Freiberufler mit Lust und Selbstachtung, und ohne größere Existenzängste vor sich hin arbeiten. Erfüllte ein Auftrag nur einen Aspekt, konnte, sollte, durfte, ja musste man ihn ablehnen. Renommee ohne Spaß und ohne Geld konnte auf Dauer nicht gut gehen. Geld ohne Spaß und ohne Renommee korrumpierte oder führte zum Herzinfarkt. Und Spaß ohne Geld und ohne Renommee erleben wir seit Jahren im Internet.

Dieses Internet stellt uns – verbunden mit der Krise der Printmedien – immer rabiater vor die Wahl: Nehmen wir die Zumutungen des Medienumbruchs hin bis zum bitteren Ende – oder machen wir aus unserer Not eine Tugend? Wenn die Lage tatsächlich so ernst ist wie viele sagen, müssten wir doch vom Klagen zum Handeln übergehen!

Und genau das geschieht. Immer mehr Autoren, Fotografen und multimedial arbeitende Freiberufler versuchen, ohne Verleger, ohne Redaktionen, ohne Handaufleger, Einordner und andere Gatekeeper auszukommen. Ja, sie müssen es versuchen, weil es in einer Umbruchzeit nicht nur um das eigene berufliche Überleben geht, sondern auch um die Anstrengung, in einer veränderten Medienwelt neue Bildsprachen und ein anderes Text- und Journalismusverständnis zu entwickeln.

Ich weiß: Es ist lästig, sich um das eigene Zeug auch noch kümmern zu müssen. Wir alle würden lieber nur schreiben, filmen und fotografieren, und das Anbieten, Verteilen und Verkaufen unserer Werke Kompetenteren überlassen. Wir sind keine Händler. Bereits der tägliche Büro- und Papierkram überfordert uns.

Doch genau dieses Drumherum werden wir in Zukunft verstärkt organisieren müssen. Und so höre ich im Kreis von Kollegen immer häufiger die Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, sich ohne die üblichen »Werkmittler« zu präsentieren? Können wir tatsächlich neue Geschäftsmodelle entwickeln? Müssen wir unsere eigenen Verleger werden?

Im Folgenden stelle ich deshalb hier elf unterschiedliche Projekte vor, die Fotografen, Autoren, Illustratoren und andere Freiberufler anregen könnten, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Manche dieser Projekte können sich selbst tragen oder spülen sogar Geld in die Kasse, andere sind schlicht Liebhaberprojekte oder waghalsige Experimente. Welche Modelle tatsächlich überleben werden, kann niemand treffsicher vorher sagen. Aber der Mut, die eigene Zukunft selbst zu gestalten, ist allen gemeinsam und dringend erforderlich:

 

Scribd

Plattform für Texte aller Art
www.scribd.com

Mit seinen 60 Millionen Besuchern pro Monat und einem Textangebot von 35 Milliarden Wörtern (in bislang 90 verschiedenen Sprachen) wird das in San Francisco ansässige Internet-Portal bereits »iTunes für Texte« genannt. Erst im März 2007 gestartet, wächst Scribd nach eigenen Angaben täglich um 50000 neue Texte. Wenn sich das neue Geschäftsmodell durchsetzt, könnte es den Markt für Autoren radikal verändern.

Das Prinzip ist denkbar einfach. Jeder Autor kann auf die Plattform eigene Texte hoch laden, mit einem Preisschild (und abgestuften Nutzungsrechten) versehen, und erhält dann pro Download 80 Prozent des Verkaufspreises auf sein Konto. 20 Prozent verbleiben bei Scribd. Wer ein Buch für drei Euro anbietet, kassiert pro Download also 2,40 Euro. Das ist mehr, als ein Autor bei einem herkömmlichen Verlag erzielen kann.

Auch in Deutschland existiert eine Vermarktungsplattform für Autoren: Xinxii. Beim Berliner »Marktplatz für eigene Texte und Dokumente« erhalten Autoren 70 Prozent des Verkaufspreises.

 

Spot.us

Marktplatz für Bürger und Reporter
www.spot.us

In San Francisco residiert die Non-Profit-Internet-Plattform Spot.us. Sie wurde von dem umtriebigen Ex-Wired-Autor David Cohn gegründet und gilt heute als Vorzeigemodell für das so genannte »Community Funded Reporting«. Bei diesem neuen Geschäftsmodell für journalistische Texte werden Hinweise und Tipps von Bürgerinnen und Bürgern aufgegriffen und zu Rechercheaufträgen umformuliert. Für jedes gelistete Vorhaben können die Besucher der Website Geld spenden. Decken die eingegangenen Spenden (die auch steuerlich absetzbar sind) die erwarteten Kosten, erarbeiten professionelle Journalisten ein Artikelkonzept und nehmen die Story in Angriff. Die erste auf diese Weise finanzierte Geschichte handelte von der Situation der Obdachlosen in der San Francisco Bay Area. 19 Spender brachten 550 Dollar zusammen.

Die über spot.us zustande gekommenen Artikel werden unter eine Creative-Commons-Lizenz gestellt und können von Medien kostenlos veröffentlicht werden. Kauft ein Medium eine Story aber exklusiv, erhalten die Spender ihr Geld wieder zurück. Spot.us versteht sich als Marktplatz, auf dem unabhängige Journalisten, engagierte Bürger und klamme Medien zusammentreffen und kooperieren.

Über seine Motivation, spot.us zu gründen, schrieb David Cohn: »Unser Journalismus hatte es wirklich nicht leicht in letzter Zeit. Aber er muss das Sterben seiner Institutionen überleben, denn er ist absolut notwendig für unser Zusammenleben.«

 

Echo-Münster

Online-Stadtmagazin
www.echo-muenster.de

Eine Reaktion auf die katastrophale Qualität vieler Regionalzeitungen könnten regionale Online-Magazine sein, gemacht von freien (und frei gesetzten) Print-Journalisten. Für viele Leser in der Provinz ist die dort gepflegte Mischung aus Agenturmeldungen, Hofberichterstattung, Honoratioren-PR und Allerweltsgewäsch aus Gesundheitsratgebern und Testberichten unerträglich.

So dachten auch die Gründer des Online-Stadtmagazins »Echo-Münster«. Als der Verlag der altehrwürdigen Münsterschen Zeitung seine Lokalredaktion im Januar 2007 plötzlich auf die Straße setzte, war die Empörung der Münsteraner so groß, dass sich ein Teil der Geschassten zusammen tat und mit Unterstützung der Agentur Livingpage ein Konkurrenzblatt gründete – im Internet. Am 1. November 2007 ging das Stadtmagazin »Echo Münster« online. Mit allen herkömmlichen Ressorts. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Blogs, Fotogalerien, Videos und Bürgerkommentare ergänzen das journalistische Angebot. In Spitzenzeiten erreicht die Redaktion 100000 Seitenaufrufe pro Tag. Doch die Bannerwerbung spült (noch) nicht genügend Geld in die Kasse. Momentan arbeiten vier Redakteure und eine Volontärin in Vollzeit.

 

Hugo

Online-Autorenmagazin
www.hugo-magazin.com

»Wir sind kein Verein, keine Agentur und kein Medienunternehmen, sondern Journalisten mit einem höchst unterschiedlichen Spektrum an Themen und Interessen«, vermerkte das Netzwerk »Autoren & Reporter« auf seiner Website. Um diese an wechselnden Einsatzorten tätigen Individualisten für eine lang gehegte Idee unter einen Hut zu bringen, benötigte es eines Anstoßes. Die Zuspitzung der Medienkrise und die Ausbreitung des Internets ließ die 25 Einzelgänger allmählich nachdenklich werden. Und so entstand »Hugo«, das Onlinemagazin der Autoren, als wendiges Beiboot zur eher statischen Mutter-Website. Der Namensgeber des Magazins: ein Hamburger Mops.

Die am Magazin beteiligten 20 Autoren sind ihre eigenen Verleger: Sie haften mit ihren Einlagen für Gewinne und Verluste; wobei Verluste nach Aussagen der Macher nicht eintreten werden, weil »die Creme des deutschen Magazin-Journalismus« in sieben klassischen Ressorts und sieben romantischen Kolumnen ihr Bestes geben wird. Inhaltlich geht es bei Hugo um »Streit« und »Sex«, »Wiese & Weltraum«, »Reportagen« und »Leidenschaften«, aber ebenso um »TomTom«, »Meine Leute«, »Weltis Wortwechsel« oder »E-Mail und die Detektive«. Alle Beteiligten dürfen ihre Spinnereien, Obsessionen und Hobbys ausleben. Auf Kosten der Leser. Jede Woche eröffnet Hugo mit dem Lieblingsbild eines Fotografen aus dem Netzwerk von FREELENS. (Disclosure: Der Verfasser dieses Artikels zählt zu den beteiligten Autoren).

 

Mediapart

Überregionale Online-Zeitung
www.mediapart.fr

Am 16. März 2009 startete in einem hellen Großraumbüro im 12. Arrondissement von Paris die Online-Tageszeitung »Mediapart«. Die rund zwei Dutzend Journalisten unter Führung des ehemaligen Chefredakteurs von Le Monde, Edwy Plenel, kontrollieren dort nicht nur die Inhalte, sondern auch das Stamm-Kapital. Denn »Mediapart« ist keine Verleger-, sondern eine Journalistenzeitung. So mancher Redakteur hat für das Experiment eine sichere Stellung bei Le Monde, Le Parisien, Marianne oder Libération aufgegeben. Der Wunsch, bei einem »Blatt« arbeiten zu können, das nicht von Anzeigenkunden abhängig ist, war übermächtig geworden. »Wir glauben«, sagt François Bonnet, der Directeur éditorial, »dass die Zeit gekommen ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie Informationen direkt kaufen müssen.«

Zwar rennen die Franzosen der werbefreien Zeitung noch nicht die Türen ein, aber die Zahl der Abonnenten wächst. Um rentabel zu sein, benötigt »Mediapart« mindestens 50000 Unterstützer, bislang sind es 15000. Ein Monats-Abo kostet neun Euro.  Die Arbeitsbedingungen und das Gehalt bei »Mediapart« sind »weniger komfortabel als in unseren früheren Redaktionen«, sagt einer der Redakteure, aber den Wechsel hat er nie bereut: »Hier kann ich so arbeiten, wie ich es möchte. Journalisten sind dazu da, den Verantwortlichen in dieser Gesellschaft auf die Nerven zu gehen.«

 

Missy-Magazine

Feministisches Frauenmagazin
www.missy-magazine.de

»Wieso gibt es in Deutschland kein Magazin, das die Berichterstattung über coole Frauen, Popkultur, Politik und Style mit einer feministischen Haltung verbindet?« Das fragten sich einige coole Feministinnen und formulierten die passende Antwort gleich selbst: »Weil es bisher noch niemand gemacht hat.« Und so haben sie es gemacht: Für sich und für all diejenigen, die genau so sind wie sie selbst. Missy könnte man gut und gern eine gedruckte Community nennen.

Im Kern waren es drei Studentinnen, die 2008 die Idee hatten, ein Frauenmagazin zu machen, das auf Anleitungen zur richtigen Diät, zum richtigen Look und zum richtigen Leben verzichtet. »In Missy wird ehrlich über Sex geredet – über homo- und heterosexuellen, heißen, langweiligen oder auch nicht vorhandenen. Wir zeigen Klamotten für Frauen, die nicht den gängigen Schönheitsnormen entsprechen. Handarbeit und Kochen bekommen bei uns den radikalen Anstrich, den sie im Grunde schon haben.«

Diese freche Konzeptidee fanden die Jury-Mitglieder der Multimediaplattform Hobnox so gut, dass die coolen Feministinnen auf Anhieb einen Preis erhielten. Der war so üppig dotiert (mit 25000 Euro!), dass die Herausgabe des ersten Missy-Magazins gestemmt werden konnte – ohne ärgerliche Zugeständnisse und faule Kompromisse.

 

Hobnox

Multimedia-Plattform für Kreative und Fans
www.hobnox.com

Das in Berlin, Köln und München ansässige »Entertainment-Netzwerk« bietet zwei Tools zur browsergestützten Produktion von eigenen Shows und Musikstücken, vier Web-TV-Kanäle (Sly-Fi, CLTR/CTRL, 99stories und CubeTV) sowie eine Fan-Community. Hobnox produziert etwa 50 Stunden sendefähiges Material im Jahr, die Nutzer der digitalen Werkstätten (Tools) erstellen weitere 100 Stunden. Denn mit Hobnox kann jeder zum Fernseh- und Musikproduzenten aufsteigen (und nebenbei ein paar hervorragend dotierte Preise gewinnen). Auf diese Weise sichern sich die Hobnoxer einen immerwährenden Talent-Nachschub. Hobnox verbindet »qualitätsorientiertes Web-TV, moderne Community-Infrastruktur und einzigartige Technologien.« Für manche Netz-Afficionados wie die »Blogpiloten« ist die Multimedia-Plattform der endgültige Beweis, dass die Informationshoheit der großen Medienkonzerne zu Ende geht.

Die Crew um den ehemaligen Spex-Redakteur Uwe Viehmann (heute Chefredakteur von hobnox.tv), Alexander Gorny, Yousef Hammoudah und Andreas Jacobi hatte sich ein Ziel gesetzt: Zu ändern, dass ein Künstler heute kaum noch Einfluss darauf hat, was mit seinem Werk geschieht. Mit einem gewaltigen Künstlerförderungsprogramm (hinter dem so potente Sponsoren wie 20th Century Fox oder beyerdynamic standen), machten sie sich im Internet einen guten Namen und legten so auch den Grundstein für die erste Generation der Hobnox-Kreativen. Denn das Ziel der Plattform ist es, Kreative, Konsumenten, Verwerter und Verkäufer zu vernetzen. »Wir wollen einen neuen Wertschöpfungskreislauf in der Unterhaltungsindustrie schaffen.« Das scheint zu funktionieren. Hobnox ist Bühne, Werkstatt, Treffpunkt und Marktplatz zugleich. 2008 gewann die Website den Grimme Online Award in der Kategorie »Spezial«.

 

Fotofinder

Vertriebsplattform für Foto-Agenturen
www.fotofinder.com

Fotofinder ist Deutschlands bekanntester Bildmarktplatz im Internet. Unabhängige Bildanbieter und internationale Bildagenturen bieten dort unter gemeinsamer Adresse ihre Schätze an. Und Tausende von Bildkäufern aus Redaktionen und Werbung nutzen die Möglichkeit, hier alles auf einfache Weise zu sichten und einzukaufen. Recherche und Registrierung sind kostenlos. Nutzungshonorare werden direkt mit den Rechteinhabern abgerechnet.

Die digitale Vertriebsplattform ist ein gutes Beispiel dafür, wie man durch frühzeitiges Reagieren auf technische Veränderungen Erfolg haben kann. Schon 1997, als sich das Ende der analogen Ära erst vage abzuzeichnen begann, beschlossen der ehemalige Pressefotograf und Gründer der Agentur Zenit, Ali Paczensky, und Thomas Sandberg von der Agentur Ostkreuz, eine Internet-Plattform für »werthaltige Autorenfotografie« und unabhängige Agenturen aufzubauen. 2008 lag der Umsatz bereits bei einer Million Euro. Die Firma beschäftigt neun Mitarbeiter und arbeitet intensiv an neuer Software, die es ermöglicht, auch beste Bild-Qualitäten im Internet sichtbar zu machen.

 

Die Nacht

Zeitschrift für Fotografie, Design und Subkultur
www.dienachtmagazin.blogspot.com

Das Internetmagazin dienacht – Zeitschrift für Fotografie, Design und Subkultur ist ein Ein-Mann-Projekt abseits des Mainstreams. Der 27-jährige Fotograf und Graphikdesigner Calin Kruse stellt Kollegen und deren Arbeiten vor, präsentiert Design-Entwürfe und auch Autoren-Texte. »Ich zeige, was mir gefällt, und wähle die Künstler nach Gefühl.« Den Namen »dienacht« hat er gewählt, weil die Dunkelheit mit ihren Träumen und Wachträumen die beste »Ideengeburtsmaschine« ist.

Die erste »Nacht« erschien 2006 im Selbstverlag. Auch den Versand des Heftes besorgt Kruse selbst. Fünf Ausgaben liegen bislang vor. Vielleicht wird »dienacht« eines Tages als Sammlerobjekt gehandelt, denn die Auflage beträgt nur 1000 Exemplare, und alle Exemplare sind durchnummeriert. Gewinn macht Kruse mit seinem Projekt nicht, im Gegenteil. Der Herstellungsaufwand für das Magazin treibt ihn fast jedes Mal in den Ruin. Doch »die Freude, etwas Eigenes zu schaffen«, kompensiert die finanziellen Risiken. Zudem erweitert das Zeitschriftenmachen den eigenen Horizont – und den Kreis der Kontakte. So hofft der Blattmacher, dass sein Online-Shop im Internet und eine vielleicht noch zu gründende Ladengalerie irgendwann so viel einbringen, dass er nicht mehr von der Hand in den Mund leben muss.

 

Blinkenlichten

Web-TV Produktionsgesellschaft
www.blinkenlichten.com

Am Anfang war da der Einzelkämpfer Mario Sixtus. Im Internet trat er als »Elektrischer Reporter« auf. Und die Scouts vom ZDF fanden ihn so gut, dass sie ihm bald eine Kooperation anboten. Deshalb musste eine richtige Firma her. Sixtus und sein Mitstreiter Julius Endert sammelten etwas Geld bei Freunden und Bekannten und ließen ihr Vorhaben ins Handelsregister eintragen.

Die »Blinkenlichten Produktionen GmbH & Co. KG« ist nach eigenen Worten auf »feinsten Bewegtbild-Journalismus« spezialisiert. Die von der Firma angebotenen Web-Formate sind meist Serien. Die Episodenlängen variieren zwischen zweieinhalb und 15 Minuten.

Das Blinkenlichten-Team – mittlerweile drei feste und ca. zehn freie Mitarbeiter –, beschäftigt sich »mit allem, was des Berichtens Wert ist: von Technologie über Kultur und Politik bis hin zu Sport oder Musik.«

Die Machart muss freilich über den Mainstream hinausgehen. Beliefert werden Webseitenbetreiber, Online-Magazine und Fernsehsender. In der Zusammenarbeit ist das Team flexibel, »nur in unsere journalistische Arbeit lassen wir uns nicht reinreden.«

Blinkenlichten produziert im eigenen Studio und setzt anschließend auf multimedialen Vertrieb. Das Aushängeschild, der »Elektrische Reporter«, läuft sowohl im ZDF als auch auf der eigenen Website, wo sich rund um die Serie eine Community bilden kann. Alle Filme werden automatisch in die unterschiedlichen Dateiformate konvertiert, so dass sie z.B. auch als Video-Podcasts im iTunes-Store abrufbar sind. Aktuell brütet Blinkenlichten über einer ersten Videoserie fürs Internet. Möglicherweise eine Art Lindenstraße, eine Blinkenlichtenstraße, bei der die User ein Wörtchen mitreden dürfen.

 

Lunatic

Internationale Internetzeitung für Fotostorys
www.lunaticmag.com

Lunatic erzählt Fotostorys im Internet. Und man kann die Zeitung durchblättern wie ein Printmagazin. Es erklingt ein wenig Musik, und kurze Einleitungstexte erklären die Reportagen – ansonsten herrscht pure Doppelseiten-Optik: elegante Reduktion, hervorragend »gedruckt«. Drei Ausgaben von lunatic sind bislang online. Hinter dem Projekt steckt das kleine belgisch-britisch-deutsche Fotografenkollektiv Luna.

Lunas Ableger Lunatic wurde von dem Fotografen Karl Blanchet gegründet, der die Online-Zeitung zusammen mit dem Bildredakteur Eric Hilaire seit 2007 gestaltet. Aus purer Leidenschaft für die Fotografie. Lunatic will bekannten und unbekannten Talenten ein Schaufenster zur Verfügung stellen: das heißt, genügend Webspace für originelle Fotoproduktionen, die in bester Qualität, ohne Inhalts- und Platzbeschränkung, ohne die üblichen Textknödel und Seitentitel »auserzählt« und vorgestellt werden können – egal, ob sie aus China oder Burkina Faso, aus Mexiko oder Belgien stammen.

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Wolfgang Michal

schreibt seit 30 Jahren Reportagen, Porträts und Wissenschaftsgeschichten. Der studierte Politikwissenschaftler war Redakteur der Zeitschrift GEO und arbeitet heute im Netzwerk »Autoren & Reporter«.