Wert der Arbeit
Honorare kalkulieren

Drei mal drei macht sechs

TEXT – KAY MICHALAK

Mit der Fotografie sein Geld zu verdienen, ist eine wunderbare Sache. Die meisten Fotograf*innen sind bloß keine Kaufleute. Was ist die eigene Arbeit wert, was koste ich, was will ich verdienen? Es lohnt sich, einmal detailliert darüber nachzudenken. Anna Log und Manuel Fokus geben Einblicke in ihre berufliche Praxis.

Die eigene Situation

»Man muss Geld ausgeben, das erzeugt eine Sogwirkung auf dem Konto.« Ein einfacher Ratschlag, den Anna Log immer gerne weiter gibt. Sie arbeitet seit 25 Jahren in Düsseldorf in ihrem eigenen Studio. Sie hat zwei Kinder und ist die Hauptverdienerin in der Familie, ihr Mann arbeitet als Altenpfleger. Annas Assistent Manuel, gerade von der Hochschule gekommen, will sich einen Namen machen in der Reportage- und Dokumentarfotografie. Er lebt allein und hat sich zu Hause seinen Arbeitsplatz eingerichtet. Sein Motto lautet: »Rechne nie mit Geld, was du noch nicht hast.«

Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen und so einfach diese Ratschläge sind, beide Kolleg*innen haben sich viele Gedanken gemacht zu der Frage: Was koste ich? Eine so simple und dennoch entscheidende Erkenntnis lautet: Die Einnahmen müssen höher sein als die Ausgaben. Das klingt erstmal banal, aber häufig berücksichtigen Freiberufler ihre Ausgaben und Kosten nicht, wenn sie über ihren Stundensatz nachdenken.

»Bei der Überlegung, was will ich eigentlich verdienen, was muss ich verdienen, habe ich mir schon vor Jahren eine Liste gemacht, die ich immer wieder aktualisiere, damit ich meine regelmäßigen Ausgaben im Blick behalte. Den größten Posten nimmt dabei die Miete samt Nebenkosten meines Studios ein, denn wir müssen ja im Gegensatz zu den Angestellten unsere Räume und Produktionsmittel selber finanzieren. Telefon, Internetseite samt Hosting gehört natürlich dazu«, so Anna.

»Hinzu kommt, bei den Angestellten zahlt der Arbeitgeber noch den Anteil zur Krankenkasse, Rentenversicherung und Pflegeversicherung, das sind runde 18%. Da ich in der Künstlersozialkasse bin, bekomme ich diesen Anteil von dort«, fügt Manuel hinzu. »Private Rentenversicherung kann ich mir im Moment noch nicht leisten.«

Sicher ist sicher

»Und es gibt einige Ausgaben, um die kommen wir nicht herum und die haben ihren Sinn«, betont Anna. »Wir denken nur ungern darüber nach, was schief gehen kann. Vor einigen Jahren hatten wir für ein Shooting eine wunderbar teuer eingerichtete neue Büroetage angemietet. Alles war bestens vorbereitet, nur leider hatte ich nicht bemerkt, dass ich draußen in einen fetten Haufen Hundekacke getreten war, den ich nun gleich zu Beginn des Shootings auf dem tollen neuen roten Teppich verteilte. Damit sind wir beim ersten Muss: Eine Berufshaftpflichtversicherung. Der Teppich kostete einige tausend Euro.«

Und der Beruf der Fotograf*innen ist nicht ungefährlich. Im Studio sind die Risiken noch überschaubar, »aber on location oder bei den Reportagen, die Manuel macht, haben wir es regelmäßig mit immer wieder neuen Gefahrensituationen zu tun.«

»Einige Kollegen wissen gar nicht, dass wir in der Pflicht sind, uns bei der Berufsgenossenschaft anzumelden. Und das ist auch gut so, denn die BG versichert uns bei allen Unfällen während der Arbeit und auf dem Weg zur Arbeit – sollte es ganz dicke kommen und ich werde in Folge eines Unfalls berufsunfähig, zahlt die BG sogar eine Rente. Und die Beiträge sind moderat im Gegensatz zur privaten Berufsunfähigkeitsversicherung, die auch absichert, wenn in der Freizeit etwas passiert«, erklärt Manuel.

Wie viele Tage stehen im Monat überhaupt zum Geld verdienen zur Verfügung? Auch die für Recherche, Akquise und Nachbearbeitung verwendete Zeit muss mit in die Kalkulation einfließen. Foto: Kay Michalak

Ein weiterer wichtiger Posten, stellte sich im Gespräch heraus, sind die Ausgaben für die Absicherungen gegen Verlust und Diebstahl der Ausrüstung. Anna Log hat viele ihrer Produktionsmittel stationär, sie arbeitet eher selten draußen. Manuel Fokus ist dauernd unterwegs, zwar mit überschaubarem Equipment, aber dafür ist das Risiko deutlich höher. »Als Berufsanfänger kann ich mir noch keine richtige Versicherung dieser Art leisten. Einige Kollegen berichten, sie packen sich vom Gewinn jeden Monat einen Betrag beiseite, der ihnen im Notfall eine Wiederbeschaffung ermöglicht.«

Anna Log hat für den größten Teil eine stationäre Versicherung, für einen kleinen Teil ihrer Ausrüstung besteht auch mobiler Schutz. »Ich denke, da muss jeder und jede für sich überlegen, wie hoch das Risiko ist und was zu finanzieren ist. Alles für mobile Einsätze zu versichern, muss man sich auch erstmal leisten können«.

Einen gewissen Betrag monatlich zurückzulegen hat auch noch einen anderen Sinn: Die fotografische Ausrüstung muss regelmäßig erneuert werden, das betrifft vor allem die Gehäuse, die Computer samt Software und alle Nase lang neue Festplatten. »Investitionssichernde Rücklagen« nennt das der Steuerberater.

Fotograf*innen sind viel unterwegs, das kostet Geld. Anna gönnt sich einen ordentlichen Transporter, Manuel fährt leidenschaftlich gern Fahrrad und ist Mitglied beim Car Sharing. »Die Kosten sind sehr überschaubar, ich habe verschiedene Autos zur Auswahl und ich muss mich nicht um Reparaturen kümmern. Ein eigenes Auto ist mir momentan auch noch zu teuer. Außerdem geht einiges auch gut mit der Bahn, mein Fahrrad nehm ich dann mit.«

Die schönen Dinge

Auch die schönen Dinge kosten leider immer Geld. Die eigene Arbeit aufzubereiten und zu präsentieren war früher zu Zeiten der Mappe sicherlich kostspieliger als heute. Manuel präsentiert sich ausschließlich elektronisch, durch Newsletter und den Blog auf seiner Webseite. Für unterwegs hat er seine Arbeiten präsentabel auf seinem iPad.

»Ich bin da etwas anachronistischer,« sagt Anna, »denn ich glaube nach wie vor daran, dass etwas Gedrucktes in der Hand zu halten immer wärmer und persönlicher ist. Ich lasse regelmäßig größere Karten von meinen aktuellen Arbeiten drucken, die ich an bestehende und potentielle Kunden schicke. Das geht zwar ins Geld, ist mir die Sache aber wert. Dafür investiere ich von Anfang an in kleinere, aber regelmäßige Ausstellungen. Momentan bezahle ich das meistens selbst, denn bisher konnte ich noch keinen Galeristen finden, aber das wird mir auch noch gelingen. Diese Art der Publikation ist für meine Arbeit total wichtig, ein Buch wäre dann der nächste Schritt.«

»Und eine wichtige Sache dürfen wir nicht vergessen, die Weiterbildung«, betont Anna. »In den letzten Jahren habe ich immer wieder sehr hilfreiche Workshops mitgemacht, mal zum Thema Bildbearbeitung, mal zum Thema Kunstmarkt. Das hört nie auf, wir müssen immer wieder Neues lernen und das kostet leider auch.«

Der Bedarf an technischer Ausrüstung unterscheidet sich je nach Arbeitsgebiet und darf daher bei der Kalkulation des eigenen Stundenhonorares ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. Foto: Kay Michalak

Unproduktive Zeiten

Seine Ausgaben im Blick zu haben, ist also sehr hilfreich. Wie viel Zeit aber ist da zum Geld verdienen und was soll übrig bleiben? Klar sollte sein, wir können nicht 365 Tage im Jahr arbeiten und Geld verdienen – es gibt Feiertage und Wochenenden, die regelmäßig auch eine andere Bedeutung haben: Endlich mal in Ruhe am Rechner arbeiten. Ziehen wir die Wochenenden, Feiertage, Urlaub, Krankheit etc. ab, dann bleiben rund 200 Tage bzw. 16,5 Tage pro Monat.

»Das ist aber noch nicht alles: Recherche, Akquise, Marketing, Buchhaltung, Weiterbildung gehören auch zu den unproduktiven Zeiten. Wir können davon ausgehen, dass nur zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Zeit tatsächlich produktive Zeit ist, also Stunden, die wir auch berechnen können«, konkretisiert Anna. Bleiben noch elf produktive Tage, an denen wir wirklich Geld verdienen können. Damit kommen wir recht zuverlässig auf unseren Stundensatz. »Letztes Jahr assistierte ich einem Schweizer Studiofotografen, er kalkulierte sogar mit nur einem Produktionstag pro Woche«, berichtet Manuel.

Das Amt

»Und ganz wichtig: Wir brauchen einen Gewinn, den wir uns schön zurücklegen, für finanzielle Durststrecken und Investitionen. 15% würde ich vorschlagen«, empfiehlt Anna Log und ergänzt: »Gern wird auch vergessen, dass das Finanzamt irgendwann fordert. Das habe ich am Anfang meiner Laufbahn auch gerne aus dem Blick verloren, also auch daran regelmäßig denken und Beträge bei Seite schaffen! Und die Umsatzsteuer nicht vergessen.«

Wie hoch die Steuerlast ist, verraten viele Portale im Internet – besser ist der Steuerberater des Vertrauens, auch wenn der natürlich Geld kostet. Grundsätzlich gilt als Richtlinie: Bei 20.000 Euro zu versteuerndem Einkommen sind 15% Steuer fällig, bei 30.000 Euro sind es 21%, bei 40.000 Euro 25%, …

Jede Fotografin und jeder Fotograf hat einen eigenen Preis. Diesen sollte jeder und jede kennen und auch regelmäßig überprüfen – insbesondere, wenn sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen verändern. Foto: Kay Michalak

Der persönliche Stil

Entscheidend bei der Überlegung, was am Ende an Geld zur Verfügung stehen soll, also was ich mir an Gehalt auszahlen möchte, ist selbstverständlich auch der eigene Lebensstil. Also hat jede Fotografin und jeder Fotograf sozusagen einen eigenen Preis. Diesen sollte jeder und jede kennen und auch regelmäßig überprüfen – insbesondere, wenn sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen verändern.

Wichtig hierbei ist: dieser Preis ist quasi ein Businessplan. Was der Kunde dann letztendlich zahlen soll, hängt von weiteren Faktoren ab: Welche Nutzungsrechte übertrage ich? Ist es ein Stammkunde, dem ich Sonderkonditionen einräumen kann oder will? Und nicht zuletzt ist auch entscheidend, dass Fotografie eine kreative, künstlerische Arbeit ist, manchmal wohl auch nur Handwerk. Aber künstlerische Arbeit hat eben ihren Preis.

Anna hat ein kostspieliges Hobby, sie liebt Reiten. Manuel geht joggen. Hier muss jeder und jede überlegen, was wichtig ist. Viele sind in Vereinen Mitglied, viele von uns bei FREELENS, auch das kostet. Wohin der nächste Urlaub gehen soll, ist eine ebenso entscheidende Frage wie die, wo ich meine Klamotten kaufe und was ich mir sonst im Leben gönnen möchte. Es gibt Kolleg*innen, die nur auf dem Flohmarkt oder gebraucht kaufen, nicht nur aus monetären sondern auch aus politischen Gründen. Jemand anders braucht einfach seinen teuren Anzug. Eine der goldenen Regeln auf dem Weg zum Erfolg lautet ja: Immer adäquat gekleidet sein.