Gesetzentwurf

Sexualstrafrecht und Pressefreiheit

Heute hat der Deutsche Bundestag in erster Lesung über die Änderung des § 201a StGB beraten. Es geht vordergründig um die Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht. Wie zu erwarten, haben sowohl die Koalition wie auch die Opposition ihr Standpunkte bekräftigt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung wird, gepaart mit einer Expertenanhörung, demnächst im Rechtsausschuss stattfinden.

Neben vielen begrüßenswerten Neuregelungen und Präzisierungen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch werden durch die geplanten Reformierungen des § 201a StGB allerdings auch Änderungen angestrebt, die die Presse- und Kunstfreiheit nach Art. 5 GG massiv einschränken werden.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung schlägt u.a. die Ergänzung des § 201a StGB vor:

»Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt oder überträgt.«

In der journalistischen Praxis bedeutet diese Änderung eine Einschränkung, ja eine partielle Abschaffung der Presse- und Kunstfreiheit.

Geht es nach dem Gesetzentwurf, ist schon die bloße Herstellung – also die Aufnahme selbst, nicht erst deren Verbreitung – die einem Abgebildeten erheblich schaden könnte, unter Strafe gestellt. Für einen Fotografen ist im technischen Moment der Aufnahme nicht absehbar, ob ein Bild mit den Regelungen des geplanten § 201a kollidieren würde.

Doch welche Aufnahmen können Abgebildeten schaden? Natürlich auch solche, die z.B. einen Schuldirektor auf einer Neonazi-Demonstration zeigen. Oder der Abgebildete meint lediglich, dass das aufgenommene Foto ihm schaden könnte, weil er unvorteilhaft aussehen könnte – und ruft die Polizei.

Durch die geplante Änderung wird des § 201a StGB soll die Strafbarkeit vorverlagert werden, d.h. schon im Moment der Aufnahme entstehen – nicht erst durch die Verbreitung eines Fotos.

Abgesehen von der Unverhältnismäßigkeit der vorgesehenen Regelung wird sie eine Flut von Strafanträgen nach sich ziehen sowie die Staatsanwaltschaften und Gerichte über viele Jahre beschäftigen. Dabei bietet der Schutz durch das »Recht am eigenen Bild« (§ 22 ff. KunstUrhG) schon heute hinreichende Möglichkeiten für abgebildete Personen, gegen veröffentlichte Fotos vorzugehen.

Ein weiteres Problem wird das zukünftige Fotografieren von Kindern und Jugendlichen sein. Dies gilt auch für Privatpersonen, die ihre Kinder ablichten, wie es schon Generationen vor ihnen getan haben. Oder für Künstler, deren Thema die bildliche Darstellung von Kindern und Jugendlichen ist.

Mit der Änderung des Strafgesetzes wird ein Generalverdacht ausgesprochen. Sehr mühsam und gepaart mit viel schlechter Fantasie werden aus unverfänglichen Fotos solche gemacht werden, die an Missbrauch von Kindern denken lassen.

FREELENS hat seine Bedenken den Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 22.9.2014 mitgeteilt und sie aufgefordert, den Gesetzentwurf nicht in der vorliegenden Fassung passieren zu lassen. Selbstverständlich werden wir das Thema weiter intensiv begleiten – vor allem in den kommenden Beratungen des Rechtsausschusses des Bundestages.