Social Media für Fotograf*innen
Alec Soth

Unselfies und Augapfelporträts: Wie Magnum-Fotograf Alec Soth Instagram nutzt

TEXT – ANIKA MEIER

Sicher, man könnte es auch einfach lassen, das mit den sozialen Medien, insbesondere Instagram. Zu flach. Zu konsumorientiert. Das große Rauschen eben. Oder etwa doch nicht? Der Fotograf Alec Soth findet die Bilder-App jedenfalls ziemlich unterhaltsam. Warum? Das hat er Anika Meier erzählt.

Unter dem Titel »Das Ende einer Kunstgattung« war kürzlich in der NZZ eine Ansammlung von Kalendersprüchen für Kulturpessimisten zu lesen: »Das fotografische Bild hat das Ausbreitungsverhalten von Viren.« Und: »Fotografische Bilder sind eine moderne Seuche.« Oder: »(…) in ihrer epidemischen Vielzahl, mit der sie die Alltagskulturen dominieren, haben sie sich selbst überflüssig gemacht.« Und natürlich müssen Instagram & Co. erst die rechte und dann auch noch die linke Wange hinhalten und sich abwatschen lassen. Nur käme eben auch niemand auf die Idee zu sagen, der Roman ist tot, weil furchtbar viele Menschen ganz furchtbar viele Kurznachrichten via Twitter, WhatsApp und über diverse andere Messenger versenden.

Alec Soth geht gar nicht davon aus, wie er im Gespräch sagt, dass alle seine Follower wissen, dass er Fotograf ist. Er könnte auch irgendein Typ sein, der einen süßen Hund namens Misha hat, der gern Selfies macht, aber sehr ungern sein Gesicht dabei zeigt und der total auf Gedichte steht. In seiner Profilbeschreibung auf Instagram deutet nichts darauf hin, dass er Magnum-Fotograf ist. Um das zu erfahren, müsste man dem Link in seinem Profil folgen und sich durch seine Website klicken. Aber wer macht das schon vor dem Drücken des Follow-Buttons? Das wäre doch etwas stalkig. Auf Instagram reicht im Zweifel ein süßer Hund.

Und natürlich, man könnte es einfach lassen, das mit Instagram, soziale Medien überhaupt. Süße Hunde gibt es auch auf der Straße und seine Zeit kann man sowieso sinnvoller verbringen, mit der Lektüre von Kalendersprüchen für Kulturpessimisten beispielsweise. Total verständlich.

#underwaterunselfie. Foto: Alec Soth

Wenn man Soth fragt, warum er eigentlich Instagram nutzt, sagt er: »Im Grunde entertaine ich mich selbst, ich habe Spaß damit.« Der Spaß kam aber erst mit der Zeit. Anfangs konnte er nichts mit Instagram anfangen. Weil es um Filter ging, die nicht besonders gut aussahen, außerdem fühlte er sich bedroht, weil da plötzlich lauter Leute waren, die Fotos austauschten. »Romanautoren sollten sich nicht von Menschen bedroht fühlen, die Twitter nutzen. Fotografen sollten sich nicht von Leuten bedroht fühlen, die Instagram nutzen«, sagt er heute.

Facebook meidet er immer noch, aber aus ganz anderen Gründen. Es erinnert ihn an die Highschool, und Gedanken an die Schulzeit, die sind nie gut. Da auf Instagram aber nun einmal das Medium Fotografie ist, also sein Medium, postete er am 28. Juni 2013 seinen ersten Beitrag. »Finally trying out this new technology«, schrieb er. Instagram gab es zu diesem Zeitpunkt schon knapp drei Jahre. Ganz so neu war das soziale Fotonetzwerk also nicht mehr – aber seine Anwesenheit dort.

Und er meinte es ernst damit. Zumindest hatte er sich für den Beginn ein Konzept überlegt: er sammelte und teilte Ideen, was er auf Instagram teilen könnte. Nach 20 Ideen war Schluss. Idee 1, »unselfies«, setzt er immer noch um, an Idee 2 blieb er auch eine Weile dran, genau 18 weitere Male: »pictures of ideas«. Alles andere, wie beispielsweise analoges Pinterest, nicht likebare Tierbilder (schade!), Kurznachrichten vom Therapeuten und Augapfelporträts, ließ er bald wieder bleiben.

Alec Soth, das merkt man, wenn man ihm zusieht, hat Instagram verstanden. Das sagt er auch selbst, wenn er über seine Arbeit spricht. Er verstehe, wie Fotografie in Ausstellungen und Büchern funktioniert, und wie das Medium Instagram. Im sozialen Netzwerk verändert sich die Funktion des Mediums Fotografie. Weil die auf symmetrischen Austausch ausgerichtete Struktur der Plattform begünstige, so der Kunsthistoriker André Gunthert, dass Bilder als Mittel der Konversation über Social Media oder Messenger-Dienste eingesetzt werden. Auf Snapchat, in Instagram Stories und in Direktnachrichten wird auf Bilder und Videos am schnellsten und einfachsten gleich mit Bildern und Videos geantwortet – für jede Emotion gibt es den passenden Selfie-Filter. »Conversational images« nennt Gunthert diese Fotos in den sozialen Medien, die dafür gedacht sind, beantwortet und geteilt zu werden.

»Im Grunde entertaine ich mich selbst, ich habe Spaß damit«, so Alec Soth über seine Nutzung von Instagram. Foto: Alec Soth

Jetzt gibt es verschiedene Typen von »conversational images«, könnte man ergänzen. Es gibt solche, die nach Bestätigung und Bewunderung heischen, um das Engagement in die Höhe zu treiben. Mehr Kommentare und mehr Likes bedeuten mehr Geld für bezahlte Beiträge oder führen überhaupt erst dazu, dass Unternehmen auf Einzelpersonen zugehen und sie zu Werbeträgern machen, weil jemand vermeintlich Einfluss ausüben kann.

Als Ikone einer Kultur des »conversational image« gelte Kim Kardashian, schreibt der Kurator Fabian Knierim in seinem Essay »Kein Bild ist eine Insel. Wie prägt das Teilen unseren Umgang mit Bildern?« Die Selfie-Queen Kim Kardashian ist maximal langweilig auf Instagram, sie zeigt viel nackte Haut und viele Duckfaces, ihre Follower bestätigen ihr nur zu gern täglich, dass sie »beautiful« ist. Der Dank: Man bekommt Empfehlungen für Produkte, die man beim besten Willen nicht braucht. Für Detox-Tee beispielsweise.

Soth macht es seinen Followern nicht ganz so einfach. #CaptionThis, fordert er seine Follower gelegentlich auf, wie man das eben so macht, wenn man möchte, dass lustige Bildunterschriften gefunden werden.

Im Gespräch gibt Alec Soth unumwunden zu, dass er sich auf Instagram nicht sehr einbringt. Denn er postet zwar, aber er guckt nicht so oft rein. »Obwohl, ich schaue mir immer die ersten Posts an, die mir angezeigt werden, die stammen meist von Freunden, weil Instagram jetzt auch einen Algorithmus hat. Das Lustige ist, wenn wir über Social Media sprechen, ich mache mit, aber ich bin kein großer Konsument«, sagt er. Und fügt hinzu: »Wenn ich ein TV-Produzent wäre, würde ich Sendungen produzieren, aber fernsehen würde ich trotzdem nicht.«

In der Zeit wurde bemängelt, dass seine tourende Retrospektive »Gathered Leaves« – die eigentlich gar keine Retrospektive sein will, weil er sich zu jung dafür fühlt – nicht den ganzen Soth zeige. Ein Aspekt komme zu kurz: »Soth ist ein Multitalent, er bloggt, postet auf Instagram und hat mit Little Brown Mushroom seinen eigenen Verlag gegründet, wo er eigene und fremde Bücher verlegt«, so die Kritik von Jenny Hoch. Nur darf man eins nicht übersehen: Soth trennt Arbeit und Vergnügen.

Auf die Frage, ob er denn plane, seine Unselfies und Hundefotos irgendwann in Buchform zu publizieren, antwortet er: »Vielleicht mache ich etwas mit den Unselfies. Aber da die Unselfies für die sozialen Medien entstanden sind, kann ich mich mit dem Gedanken nicht so recht anfreunden, die Fotos außerhalb der sozialen Medien im Kontext meiner Arbeit zu sehen.« Und natürlich nutzt er seinen Account auch beruflich, wenn er zum Beispiel auf seine Ausstellungen hinweist, auf neue Buchpublikationen oder Talks, aber so ist das eben, wenn die Arbeit auch Vergnügen ist.


Anika Meier
lebt und arbeitet in Hamburg, sie ist freie Autorin und Kuratorin. Sie bloggt für das Monopol Magazin über Kunst und soziale Medien. Auf Instagram teilt sie unter ihrem Namen @anika Fotos, außerdem ist sie Gründerin des Kollektivs @thisaintartschool, das auf Instagram agiert und dort auch mit Alec Soth zusammengearbeitet hat. Ein längeres Gespräch mit Alec Soth ist auch in Photonews 4/2017 erschienen, ein Auszug daraus findet sich hier.