Gemeinsam etwas auf die Beine stellen!

Durch den historischen Strukturwandel der Medienbranche werden überwiegend Themen publiziert, die auf ein kurzfristiges Interesse der Zuschauer*innen stoßen. Themen, die nicht reißerisch oder voyeuristisch sind, kommen in den Medien immer seltener vor. Um diesem Trend etwas entgegenzusetzen und das Bewusstsein für die Wertigkeit von Fotografie zu fördern, realisiert FREELENS zusätzlich zu Onlinepublikationen und Ausstellungen in der eigenen Galerie auch weitere Buch- und Verbandsprojekte. So wurden bisher die Bildbände »Ein Tag Deutschland« (2010) und »Mahlzeit, Deutschland!« (2013) veröffentlicht, 2015 initiierte FREELENS mit »Bitte warten…« ein Gemeinschaftsprojekt zur Fluchtthematik, welches mehrfach ausgestellt wurde. 2020 steht bisher ganz im Zeichen von Corona…

Alltag mit Elsa. FREELENS Fotograf Piero Chiussi zeigt im Rahmen von #freelensphotographersintimesofcorona Bilder aus seinem persönlichen Corona-Tagebuch.⁠ Berlin, 22. März 2020, Foto: Piero Chiussi

Gemeinsam statt einsam

Das neuartige Coronavirus hat unsere Welt auf den Kopf gestellt. Lockdown, Social Distancing und Maskenpflicht sind plötzlich Vokabeln, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Kurzarbeit, Schul- und Kitaschließungen, eine weitestgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens und für viele auch die Unsicherheit, wie es im Job weitergehen wird, bestimmen das Jahr 2020. Die Krise bewegt. Weltweit. Sie macht nachdenklich, sie lässt uns innehalten und fordert uns heraus. Jede*n auf eine andere Art und Weise.

Unter dem Motto »Gemeinsam statt einsam« haben FREELENS Mitglieder die Coronakrise zum Anlass genommen, den neuen Alltag fotografisch abzubilden. Sie zeigen Deutschland während des Lockdowns, als die Innenstädte wie ausgestorben schienen, Spielplätze und andere öffentliche Plätze geschlossen waren, die Menschen weitestgehend zu Hause blieben. Sie zeigen, wie sich das Land langsam wieder öffnete, sich plötzlich lange Schlangen vor Baumärkten bildeten und wie die »neue Normalität« langsam Einzug hielt. Sie zeigen sehr persönliche Corona-Tagebücher, Alltagsszenen, Interview- und künstlerische Projekte und auch Eindrücke aus anderen Ländern.

Veröffentlicht hat FREELENS diese Bilder unter dem Hashtag #freelensphotographersintimesofcorona zunächst auf Instagram, zusätzlich ist eine Ausstellung in der FREELENS Galerie geplant.

FREELENS Gemeinsam etwas auf die Beine stellen!
Fotos: Lars Berg, Kai Löffelbein, Felix Kleymann, Gordon Welters, Philipp Reiss, Lucas Wahl, Daniel Müller und Herby Sachs (v.l.o.n.r.u.).

Bitte warten…

Unzählige Schlauchboote auf dem Mittelmeer, Fußmärsche durch Europa, ertrunkene Kinder, erstickte Menschen in Lastwagen, katastrophale Zustände in den Erstaufnahmestellen – die Fluchtthematik beherrscht (nicht nur) die Medien. Haben wir mittlerweile alles gesehen? Beginnen sich die Bilder der millionenfachen und nicht endenden Fluchten aus den verschiedenen Krisengebieten allzu sehr zu gleichen? Und wie kann es gelingen, dass wir den Blick dennoch nicht abwenden?

FREELENS Fotografinnen und Fotografen haben hingeschaut. Sie dokumentieren die Situation in den Herkunftsländern der Geflüchteten ebenso wie den langen Weg nach Europa, das Warten und Bangen, das Ankommen und sich Zurechtfinden in einer neuen Welt. Seit Sommer 2015 haben sich bereits 75 FREELENS Mitglieder aus ganz Deutschland an dem Gemeinschaftsprojekt beteiligt. Eine Auswahl der eingereichten Bilder wurde bisher in Ausstellungen in Hamburg, Dömitz und Berlin gezeigt, weitere Ausstellungen sind in Planung.

Das Projekt ist – wie die uns auch in den kommenden Jahren beschäftigende Thematik – fortlaufend. Auf der Projektwebseite www.bitte-warten.com werden nach und nach die Arbeiten der teilnehmenden Fotografinnen und Fotografen – ergänzt durch Interviews und weitere Informationen – gezeigt und so mit der Zeit eine Art fotografisches Archiv zum Thema Flucht entstehen.

Mahlzeit, Deutschland!
Foto: FREELENS

Mahlzeit, Deutschland!

Essen, das ist nicht die bloße Nahrungsaufnahme, es ist aller Anfang: War das Kochen doch der erste kreative Akt der Menschheit. Längst reden wir von »Esskultur« und »Kochkunst«, und die Regionen Deutschlands definieren sich über ihre regionale Küche. Essen macht in seiner Bedeutung einen großen Teil unseres Lebens aus. Von Auswahl und Kauf der Lebensmittel über ihre Zubereitung bis zum Ort ihres Verzehrs zeigt sich die Vielfalt des Essens und damit auch unseres Handelns. Essen kann Statussymbol sein, pure Notwendigkeit oder zum Event ausarten. Kein gesellschaftliches Ereignis kommt heute ohne Essen oder Trinken aus. Essen ist ein soziales, kommunikatives Ritual und verbindet uns über alle Kulturen, Religionen und politischen Ansichten hinweg.

Das Thema Essen ist ungemein populär – jedenfalls dann, wenn man sich die unzähligen Kochsendungen im Fernsehen oder die jährlich 6 000 neu erscheinenden Kochbücher ansieht. Wollten Sie immer schon mal wissen, warum Batman Würstchen isst, was ein veganes Schweineohr ist, wie man Bratwurstkönig wird oder was bei einer Kartoffelstampf-Konferenz beraten wird? Antworten finden Sie in diesem Buch: 187 Fotografinnen und Fotografen haben sich quer durch die Republik auf den Weg gemacht, um Menschen zu fotografieren, die im weitesten Sinne mit Essen zu tun haben.

Vielleicht finden Sie sich auch in einem der Essays wieder, wenn Sie vom schnellen McDonald’s-Besuch zwischendurch lesen, von kreativer veganer Küche oder auch der Liebe zu authentischem italienischen Essen. Thilo Bode, Gunter Frank, Tom Hillenbrand, Gunther Hirschfelder, Sarah Höchstetter, Verena Lugert, Cornelia Poletto, Hilal Sezgin, Andreas C. Studer und Philipp Weber haben sich für »Mahlzeit, Deutschland!« mit verschiedensten Aspekten der hiesigen Esskultur auseinandergesetzt – vom fortlaufenden Wandel der Ernährungsstrukturen über die Qualität von Schulkantinenessen bis hin zum scheinbaren Widerspruch von boomenden Kochshows und gleichzeitiger Zunahme von »Convenience Food« und Essen »to go«.

»Mahlzeit, Deutschland!« wurde beim 2. Oberstdorfer Fotogipfel (2014) in einer LFP-Installation gezeigt und zusätzlich in Dortmund und Stuttgart ausgestellt.

Ein Tag Deutschland
Foto: FREELENS

Ein Tag Deutschland

Der 7. Mai 2010 war ein ganz gewöhnlicher Freitag. Und doch wird er für lange Zeit in Erinnerung bleiben. Denn an diesem Tag reisten 432 Fotograf*innen durch ganz Deutschland, um festzuhalten, was vor ihrer Kamera geschah: in Schulen und Wohnzimmern, auf Fußballplätzen und Flughäfen, in Parlamenten und Diskotheken. Sie sind über die Dörfer und durch die Großstädte gefahren und haben nach Momenten Ausschau gehalten, die dieses Land repräsentieren.

Über 24 Stunden haben die Fotograf*innen nicht nur Großereignisse beobachtet und fotografiert, sondern sich auch auf Menschen in alltäglichen Situationen konzentriert, vom Straßenkehrer bis zum Chefarzt – der Mensch steht im Mittelpunkt dieser Chronik. Von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen ist so eine einzigartige visuelle Bestandsaufnahme entstanden: »Ein Tag Deutschland«, festgehalten von engagierten Fotograf*innen.

Für dieses einmalige Projekt bedurfte es des besonderen, authentischen Blicks. Fotograf*innen haben von jeher Gesellschaften erforscht und dokumentiert – in ihren ganzen Breiten und Tiefen und unabhängig von Redaktionsaufträgen. Auch mit dem Projekt »Ein Tag Deutschland« haben sie dies getan – ohne auf die Verwertbarkeit in den Medien zu achten. Sie erzählen, wie es in Deutschland wirklich aussieht. Die außergewöhnliche Dokumentation eines gewöhnlichen Freitags in Deutschland unterstreicht so auch die gesellschaftliche und kulturelle Relevanz hochwertiger Bilder.

»Ein Tag Deutschland« wurde bereits in Kabul (2011), Stuttgart (2011), Dhaka (2011), Gelsenkirchen (2012), Daun (2013), Bagdad (2013) und Dongguan (2014) ausgestellt.